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Kalte Herzen

Kalte Herzen

Titel: Kalte Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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hatte wochenlang zugesehen, wie seine Frau im Krankenhaus langsam gestorben war, er kannte sich mit Krebsstationen aus. Er hatte das Mitgefühl der Schwestern erlebt, die Hingabe der Onkologen. Sie wußten, wann sie weiter um das Leben eines Patienten kämpfen mußten. Sie wußten auch, wann der Kampf verloren war, wann das Leiden den Gewinn eines weiteren Tages oder einer weiteren Woche überwiegen würde. Zum Ende hin hatte es Augenblicke gegeben, in denen Katzka sich verzweifelt gewünscht hatte, Annie sanft über die Schwelle helfen zu können. Hätten die Ärzte einen solchen Schritt vorgeschlagen, er hätte eingewilligt.
    Doch das hatten sie nie. Krebs tötete schnell genug. Welcher Arzt würde seine berufliche Zukunft aufs Spiel setzen, um den Tod eines Patienten zu beschleunigen? Und selbst wenn Mary Aliens Ärzte einen solchen Schritt unternommen hatten, konnte man das wirklich als Mord bezeichnen? Deshalb fuhr er am Nachmittag nach dem Besuch von Brenda Hainey nur widerwillig zum Krankenhaus. Er war nach der Anzeige verpflichtet, ein paar Erkundigungen einzuholen. Bei der Informationszentrale des Krankenhauses ließ er sich bestätigen, daß Mary tatsächlich an dem von Brenda angegebenen Datum gestorben war. Die Diagnose lautete auf ›undifferenzierte metastasierende Karzinome‹. Weitere Informationen wollte ihm die Sekretärin nicht geben. Der behandelnde Arzt Dr. Wettig operierte und war den ganzen Nachmittag nicht zu sprechen.
    Also griff Katzka zum Telefon und piepte Abby DiMatteo an.
    Wenig später rief sie zurück.
    »Hier ist Detective Katzka«, meldete er sich. »Wir haben in der letzten Woche miteinander gesprochen.«
    »Ja, ich erinnere mich.«
    »Ich habe einige Fragen in einem anderen Fall. Wo kann ich Sie treffen?«
    »Ich bin in der medizinischen Bibliothek. Wird es lange dauern?«
    »Das sollte es nicht.«
    Er hörte sie seufzen, bevor sie sagte: »Also dann. Die Bibliothek liegt im ersten Stock des Verwaltungstraktes.«
    Nach Katzkas Erfahrung genoß es der durchschnittliche Bürger – vorausgesetzt, er wurde nicht selbst verdächtigt –, mit Beamten des Morddezernats zu reden. Die Leute waren neugierig auf Morde und die Polizeiarbeit. Er war erstaunt über die Fragen, die man ihm schon gestellt hatte, sogar alte Damen mit den süßesten Gesichtern. Jeder wollte Einzelheiten hören, je blutiger, desto besser. Dr. DiMatteo hingegen schien eine deutliche Abneigung zu verspüren, sich mit ihm zu unterhalten.
    Er fragte sich, warum.
    Katzka fand die Krankenhausbibliothek zwischen der Datenverarbeitung und der Finanzverwaltung. Sie bestand aus einigen Reihen von Bücherregalen, dem Tisch der Bibliothekarin und einem halben Dutzend Arbeitsplätzen entlang der Wand.
    Dr. DiMatteo stand neben dem Fotokopierer und legte gerade eine chirurgische Fachzeitschrift auf die Glasplatte. Sie hatte bereits eine Reihe von Papieren in Stapeln auf einem Tisch geordnet. Katzka war überrascht, sie bei der Verrichtung von Sekretärinnenpflichten anzutreffen. Auch daß sie Rock und Bluse anstelle ihrer OP-Kleidung trug, die er für die Uniform von chirurgischen Assistenzärzten gehalten hatte, überraschte ihn.
    Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte er Abby DiMatteo attraktiv gefunden. Als er sie jetzt mit einem eleganten Rock und dem offen auf ihre Schultern herabfließenden schwarzen Haar sah, fand er sie geradezu umwerfend.
    Sie blickte auf und nickte ihm zu, und er bemerkte noch etwas, das heute anders an ihr war: Sie wirkte nervös, sogar ein wenig besorgt.
    »Ich bin fast fertig«, bemerkte sie. »Ich habe nur noch einen Artikel zu kopieren.«
    »Heute keinen Dienst?«
    »Verzeihung?«
    »Ich dachte, Chirurgen tragen immer OP-Kleidung.«
    Sie legte eine weitere Seite auf den Kopierer und drückte auf den Start-Knopf. »Ich habe heute keine OPs. Also nutze ich die Zeit zu einer Literaturrecherche. Dr. Wettig braucht die Papiere für eine Konferenz.« Sie starrte auf den Kopierer, als ob das blitzende Licht und das Summen des Geräts ihre ganze Aufmerksamkeit verlangten. Als die letzten Seiten fertig waren, trug sie sie zu dem Tisch, auf dem die anderen Stapel lagen, und setzte sich. Er zog sich einen Stuhl heran und nahm ihr gegenüber Platz. Sie ergriff den Tacker und stellte ihn dann wieder zurück.
    Noch immer ohne ihn anzusehen, fragte sie: »Gibt es neue Entwicklungen?«
    »In bezug auf Dr. Levi nicht.«
    »Ich wünschte, mir würde noch etwas einfallen, was ich Ihnen sagen könnte. Aber ich weiß

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