Kalte Herzen
gewandt«, sagte sie. »Ich bin direkt zum Direktor, Mr. Parr, gegangen. Er hat mir versprochen, die Angelegenheit zu untersuchen, aber das war vor fünf Tagen, und bis jetzt habe ich noch nichts gehört. Ich rufe jeden Tag an, aber sein Büro teilt mir jedesmal mit, daß sie noch ermitteln. Heute hat es mir gereicht.
Also habe ich Ihre Leute angerufen. Und die haben ebenfalls versucht, mich abzuwimmeln und mich an irgendeinen Anfänger zu verweisen. Ich glaube, es ist immer das Beste, sich direkt an die höchste Autorität zu wenden. Das tue ich auch jeden Morgen, wenn ich bete. Aber in diesem Fall sind wohl Sie die höchste Autorität.«
Katzka unterdrückte ein Lächeln.
»Ich habe Ihr Bild in der Zeitung gesehen«, sagte Brenda. »Im Zusammenhang mit dem toten Arzt von Bayside.«
»Sie meinen Dr. Levi?«
»Ja. Ich dachte, da Sie über die Machenschaften in diesem Krankenhaus schon Bescheid wissen, spreche ich am besten mit Ihnen.«
Katzka hätte fast geseufzt, aber er bremste sich. Er wußte, daß sie es für das halten würde, was es war: ein Zeichen der Ermüdung. So fragte er nur: »Darf ich den Brief einmal sehen?«
Sie zog ein gefaltetes Stück Papier aus ihrer Handtasche und gab es ihm. Darauf stand nur der getippte Satz:
Ihre Tante ist keines natürlichen Todes gestorben. Ein Freund.
»Gab es auch einen Umschlag?«
Sie zog auch den hervor. Darauf stand ebenfalls in Schreibmaschinenschrift der Name
Brenda Hainey.
Der Umschlag war zugeklebt gewesen und aufgerissen worden.
»Wissen Sie, wer das geschickt haben könnte?« fragte er.
»Ich habe keine Ahnung. Vielleicht eine der Schwestern, jemand der genug wußte, um es mir zu verraten.«
»Sie sagen, Ihre Tante litt an unheilbarem Krebs. Könnte sie nicht auch eines natürlichen Todes gestorben sein?«
»Warum sollte mir dann jemand diese Nachricht schicken?
Jemand, der es besser wußte? Jemand, der möchte, daß die Sache untersucht wird? Ich will, daß sie untersucht wird.«
»Wo ist die Leiche Ihrer Tante jetzt?«
»In der Leichenhalle des Garden-of-Peace-Instituts. Das Krankenhaus hat sie ziemlich eilig weggeschafft, wenn Sie mich fragen.«
»Wessen Entscheidung war das? Es muß ein naher Verwandter gewesen sein.«
»Meine Tante hat vor ihrem Tod Anweisungen hinterlassen.
Das hat mir jedenfalls das Krankenhaus erklärt.«
»Haben Sie mit den Ärzten Ihrer Tante gesprochen? Vielleicht können die die Angelegenheit aufklären.«
»Ich würde lieber nicht mit ihnen sprechen.«
»Warum nicht?«
»In Anbetracht der Situation bin ich nicht sicher, ob ich ihnen trauen kann.«
»Ich verstehe.« Jetzt seufzte Katzka doch. Er zückte einen Stift und schlug eine leere Seite in seinem Notizblock auf. »Nennen Sie mir die Namen der Ärzte Ihrer Tante.«
»Der verantwortliche Arzt war ein gewisser Dr. Colin Wettig.
Aber diejenige, die eigentlich alle Entscheidungen getroffen hat, war seine Assistenzärztin. Ich denke, die sollten Sie sich einmal genauer ansehen.«
»Ihr Name?«
»Dr. DiMatteo.«
Katzka blickte überrascht auf. »Abigail DiMatteo?«
Es entstand ein kurzes Schweigen. Katzka konnte die unverhohlene Verblüffung in Brendas Gesicht erkennen.
»Sie kennen Sie?« fragte sie vorsichtig.
»Ich habe schon mit ihr gesprochen. In einer anderen Sache.«
»Das wird Ihr Urteil in diesem Fall doch nicht beeinflussen, oder?«
»Keineswegs.«
»Sind Sie sicher?« Sie musterte ihn mit einem Blick, der ihn verärgerte. Er ließ sich nicht leicht verärgern, und er fragte sich, warum diese Frau ihn so wütend machte.
Ausgerechnet in diesem Moment kam Lundquist an seinem Tisch vorbei und warf ihm ein Grinsen zu, das man nur als mitleidig bezeichnen konnte. Lundquist hätte diese Frau befragen sollen. Es wäre gut als Übung in höflicher Zurückhaltung gewesen, die Lundquist dringend entwickeln mußte.
»Ich versuche immer objektiv zu sein, Miss Hainey«, erklärte Katzka.
»Dann sollten Sie sich diese Dr. DiMatteo mal näher ansehen.«
»Warum gerade sie?«
»Sie wollte, daß meine Tante stirbt.«
Katzka hielt Brendas Vorwürfe für abwegig. Trotzdem war da immer noch die anonyme Nachricht und die Frage, wer sie geschickt hatte. Eine Möglichkeit war, daß Brenda sie sich selbst geschickt hatte. Menschen, die nach Aufmerksamkeit dürsteten, hatten schon seltsamere Dinge getan. Das zu glauben, fiel ihm leichter, als ihre Version der Ereignisse zu akzeptieren: daß nämlich Mary Allen von ihren Ärzten ermordet worden war.
Katzka
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