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Kalte Herzen

Kalte Herzen

Titel: Kalte Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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nichts.« Sie sammelte ein paar Blätter zusammen und heftete sie mit einem kurzen Schlag auf den Tacker zusammen.
    »Ich bin nicht wegen Dr. Levi hier«, erklärte er. »Es geht um eine andere Angelegenheit. Eine Patientin von Ihnen.«
    »Aha?« Sie sammelte den nächsten Stapel Bögen zusammen und schob ihn zwischen die Zähne des Tackers. »Von welcher Patientin reden wir denn?«
    »Eine gewisse Mary Allen.«
    Ihre Hand erstarrte einen Moment lang in der Luft, bevor sie mit Wucht auf den Tacker niedersauste.
    »Erinnern Sie sich an sie?« fragte er.
    »Ja.«
    »Soweit ich weiß, ist sie letzte Woche gestorben. Hier im Bayside.«
    »Das ist richtig.«
    »Können Sie bestätigen, daß die Diagnose auf ›undifferenzierte metastasierende Karzinome‹ lautete?«
    »Ja.«
    »Und sie befand sich im letzten Stadium?«
    »Ja.«
    »Dann kam ihr Tod nicht unerwartet?«
    Sie zögerte kurz, gerade lang genug, um seine Wachsamkeit zu schärfen.
    »Ich würde sagen, er war nicht unerwartet«, sagte sie gedehnt.
    Er beobachtete sie aufmerksamer, und sie schien sich dessen bewußt. Eine Weile sagte er nichts. Seiner Erfahrung nach war Schweigen viel entnervender. Schließlich fragte er ruhig: »War ihr Tod in irgendeiner Form ungewöhnlich?«
    Endlich blickte sie zu ihm hoch. »Was meinen Sie mit ungewöhnlich?«
    »Die Todesumstände. Die Art, wie sie gestorben ist.«
    »Darf ich fragen, warum Sie in dieser Sache ermitteln?«
    »Eine Verwandte hat sich mit ihren Sorgen an uns gewandt.«
    »Sprechen wir von Brenda Hainey? Der Nichte?«
    »Ja. Sie glaubt, ihre Tante wäre aus Gründen gestorben, die nichts mit ihrer Krankheit zu tun hatten.«
    »Und Sie wollen jetzt einen Mordfall daraus machen?«
    »Ich versuche festzustellen, ob etwas vorliegt, was eine Ermittlung rechtfertigt. Ist das der Fall?«
    Sie antwortete nicht.
    »Brenda Hainey hat einen anonymen Brief erhalten, in dem behauptet wird, Mary Allen sei keines natürlichen Todes gestorben. Haben Sie einen Grund, irgendeinen Grund zu der Annahme, daß es einen Anlaß für diese Vermutung gibt?«
    Er hätte verschiedene mögliche Reaktionen vorhersagen können. Sie hätte auflachen und ihm erklären können, daß das lächerlich war. Sie hätte ihm erklären können, daß Brenda Hainey verrückt war. Sie hätte Verwunderung oder sogar Verärgerung darüber ausdrücken können, daß sie sich diesen Fragen unterziehen mußte. Jede dieser Reaktionen wäre angemessen gewesen. Doch ihre tatsächliche Reaktion hatte er nicht vorausgesehen.
    Sie starrte ihn an und wurde aschfahl. Dann sagte sie leise:
    »Ich weigere mich, weitere Fragen zu beantworten, Detective Katzka.«
    Sekunden nachdem der Polizist die Bibliothek verlassen hatte, griff Abby panisch zum nächsten Telefon und piepte Mark an.
    Zum Glück beantwortete er ihren Anruf sofort.
    »Dieser Detective war wieder hier«, flüsterte sie. »Mark, Sie wissen über Mary Allen Bescheid. Und dieser Polizist stellt Fragen nach den Umständen ihres Todes.«
    »Du hast ihm doch nichts erzählt, oder?«
    »Nein, ich«, sie atmete tief durch, der nachfolgende Seufzer kam einem Schluchzen nahe. »Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Mark, ich glaube, ich habe mich verraten. Ich habe Angst, und ich vermute, er weiß das.«
    »Abby, hör mir zu. Das ist wichtig. Du hast ihm doch nichts von dem Morphium in deinem Spind erzählt, oder?«
    »Ich wollte. Mark, ich war kurz davor, ihm mein Herz auszuschütten. Vielleicht hätte ich das tun sollen. Wenn ich ihm einfach alles erzählen würde –«
    »Tu das nicht!«
    »Wäre es nicht besser, es ihm zu erzählen? Er wird es sowieso herausfinden. Früher oder später wird er es ausgraben. Da bin ich mir ganz sicher.« Sie atmete erneut aus, und spürte das Brennen erster Tränen in ihren Augen. Jeden Moment würde sie losschluchzen, gleich hier in der Bibliothek, wo jeder sie sehen konnte. »Ich sehe keine andere Möglichkeit. Ich muß zur Polizei gehen.«
    »Und was ist, wenn sie dir nicht glauben? Sie werfen einen Blick auf die Indizien, das Morphium in deinem Spind, und ziehen den naheliegenden Schluß.«
    »Was soll ich denn sonst machen? Darauf warten, daß sie mich verhaften? Ich halte das nicht aus. Ich halte es einfach nicht aus.« Ihre Stimme brach. Flüsternd wiederholte sie. »Ich halte es nicht aus.«
    »Bis jetzt hat die Polizei gar nichts. Ich werde ihnen nichts sagen. Und Wettig und Parr auch nicht, das weiß ich. Sie wollen genausowenig wie du, daß die Sache an die

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