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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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Kakao gemacht …« Sie musste lachen, obwohl sie gleichzeitig weinte. »Hast mir zugehört …«
    »Komm«, sagte Berg und nahm sie in die Arme. »Bleib hier. Du kannst hier auf dem Sofa schlafen. Ich möchte nicht, dass du jetzt noch einmal allein durch die Nacht läufst. Bettzeug gibt es auch. Morgen frühstücken wir irgendwo um die Ecke in einem Café, und dann sieht die Welt wieder ganz anders aus.« Er nahm sie an beiden Armen und schob sie ein paar Handbreit von sich weg, um sie anzusehen. »Oder wartet dein Mann auf dich?«
    »Henrik?« Natascha schluckte. Schüttelte den Kopf. Ach, Henry. »Nein«, sagte sie. »Der wartet sicher nicht.«

Bonn, Bad Godesberg. Zentrale des Verfassungsschutzes. 31.10.1989, 8:40:00 Uhr.
    Die Funkgeräte sind verstummt. Es ist der Augenblick, in dem alle schweigen. Lauschen. Das Kommende kommen sehen in dem Bewusstsein, mehr zu wissen als jene, die davon am stärksten betroffen sind. Dem Einsatzleiter tut es leid um Eck. Es ist anzunehmen, dass er als Kollateralschaden in Kauf genommen werden muss. Er hat ihn kennengelernt, als es um die Sicherheitsüberprüfung des Schutzobjekts ging. Fähiger Mann. Ob er etwas ahnt?
    8:40:07 Uhr. Das Signal. Die Lichtschranke ist unterbrochen worden.

ACHT

    A l s Henrik Eusterbeck am nächsten Tag aufwachte, war er erstaunt, wie schwer ein so unendlich leerer Kopf sein konnte. Es schien, als hätte ihm der Gin buchstäblich das Hirn unter der Schädeldecke weggefressen. Die Gedanken bildeten sich irgendwo im Vakuum zwischen Augen und Ohren und Hinterkopf. Er ging ins Bad und stellte sich eine halbe Stunde lang unter die Dusche, trank literweise von dem Wasser, das auf ihn herabrieselte, und ließ literweise Wasser an Ort und Stelle. Endlich beschloss er, sich einer ausgedehnten Kaffee- und Aspirinkur zu unterziehen. Er stellte fest, dass der Akku seines Notebooks leer war, das Ding war die Nacht über gelaufen. Also stöpselte er den Computer ein und setzte sich damit an den kleinen Bartisch, den er und Natascha sich für die Küche ausgesucht hatten, um ein schnelles Frühstück genießen zu können. Das konnten sie nun auch. In der Regel allerdings getrennt. Denn sie hatte ja sowieso nie Zeit. Offenbar hatte sie mal wieder im Büro übernachtet. An diesem Tag war er dafür ausnahmsweise sogar dankbar. Denn egal, was für ein Scheusal er war, so musste sie ihn nicht sehen. Das wollte er weder um ihret- noch um seinetwillen.
    Er surfte durch ein paar News-Kanäle, googelte kurz Natascha, um festzustellen, dass seit gestern keine neuen Einträge über sie hinzugekommen waren, checkte seine Mails und seine Alerts, während er mit Hilfe dieses grandiosen Kaffee-Vollautomaten einige perfekte Cappuccini zapfte und seinen Kater niederrang. Das schlechte Gewissen und der Ekel vor sich selbst blieben. Gleichzeitig spürte er eine maßlose Enttäuschung über Michelle. Sie hätte es ihm verdammt noch mal sagen müssen. Hatte sie nicht gemerkt, dass er sich bis über beide Ohren in sie verliebt hatte? Wenn er ehrlich war, hatte er es selbst nicht wirklich bemerkt. Es war ihm erst jetzt klar geworden. Und abgesehen davon: Hatte eine Hure kein Recht darauf, von irgendjemandem geliebt zu werden? Wie er es drehte und wendete, er fand bei der ganzen Sache nur einen Schuldigen, und das war er selbst.
    Er fuhr den Rechner runter, nahm das Handy, schrieb Natascha eine SMS : »Fahre kurz zu Mama.« Und machte sich auf den Weg. Die Straße, das war jetzt der beste Ort für ihn. Fahren. Möglichst weit und möglichst schnell. Seine alte Mutter hatte ihn schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Die Strecke nach Bremen war, bis auf die letzten fünfzig, sechzig Kilometer, die immer dicht waren, genau das Richtige für seinen Zustand. Er würde das Handy ausschalten, ein paar alte Nirvana-Alben einschieben und richtig Blei in seinen Fuß geben.
    *
    Von: Die Pupille
    An: [email protected]
    Betr.:
    Text: DU HAST DIE KLEINE AUF DEM GEWISSEN, PRINZESSIN.
    *
    Als die Ausläufer der Stadt Berlin aus der dunstigen Luft auftauchten, war es früher Abend. Er hatte sich abreagiert. Sein Blut pulsierte wieder im richtigen Tempo. Und sein Gewissen hatte sich auch beruhigt, weil er seine alte Mutter wieder einmal gesehen hatte. Gewiss, sie hatte das nicht wirklich mitbekommen. Für sie war er ein Besucher wie jeder andere auch, der in ihr Zimmer kam. Ihre Demenz war so weit fortgeschritten, dass ihre Existenz der einer Pflanze wesentlich näher kam als der eines Menschen.

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