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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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ja nicht zum ersten Mal in einem solchen Etablissement. Aber diesmal war es eine delikate Angelegenheit, er fühlte sich befangen. Er schob den schweren dunkelroten Vorhang zur Seite und blickte auf eine Bar, an der ein paar Frauen in Unterwäsche saßen. Schwarz, weiß, gelb. Die Asiatin wurde von einem Mann vollgequatscht, der vor einem halb leeren Bierglas saß. Sie selbst trank vermutlich Champagner, doch vermutlich trank sie nicht wirklich. Nur das Glas – unberührt – stand vor ihr.
    Henrik ging an der hochgewachsenen dunkelhäutigen Schönheit vorbei, die der Tür am nächsten saß, und wandte sich der Bar zu. »Haaallo, schöner Mann«, sagte die Frau mit erstaunlich tiefer Stimme. Es versetzte Henrik einen Stich. Denn »schöner großer Mann« nannte ihn Michelle immer. »Bist du auf der Suche nach ein bisschen Entspannung?«
    »Ehrlich gesagt bin ich auf der Suche nach Michelle«, erwiderte Henrik und nickte dem Barmann zu: »Ein Bier, bitte.«
    »Spendierst du mir einen Drink?«
    »Entschuldige, das wird heute nichts mit uns beiden.«
    »Ich wüsste ein paar schöne Sachen, die ich mit dir machen könnte.«
    Henrik nickte. »Da bin ich ganz sicher. Aber das Einzige, was ich gerne wüsste, ist, ob Michelle heute hier ist.«
    Sie wandte sich so unvermittelt ab, als hätte er sich plötzlich vor ihr entmaterialisiert, und sie hätte ihn sogleich aus dem Gedächtnis gelöscht, zündete sich eine Zigarette an und legte den Kopf in den Nacken, um den Rauch mit unendlich gelangweilter Geste in die Luft zu pusten.
    »Is heut noch nich hier«, sagte der Barmann, als er ihm sein Bier hinstellte. »Michelle. Kommt meist erst gegen sieben oder acht.«
    »Okay. Ich kann ja sicher ein bisschen da drüben warten?« Henrik nickte zu einer der schummrigen Nischen, die der Bar gegenüberlagen.
    »Klar. Sie sind hier Gast.«
    Henrik Eusterbeck setzte sich so, dass er den Eingang gut im Blick hatte, selbst aber von einer eine Marmorsäule imitierenden Kunststoffstele halb verdeckt wurde. Das Bier war zu warm. Zwei oder drei davon, und es würde ihm zu Kopf steigen. Zwei Mädchen kamen mit ihren Kunden durch die Tür auf der anderen Seite der Bar, wo es zweifellos zu den Zimmern ging. Eine von ihnen kam, kaum dass ihr Kunde in dem Windfang entschwunden war, zu ihm herübergetänzelt, stellte ein Bein neben ihm auf die Bank und sagte keck: »Ich wär jetzt wieder frei.«
    »Das freut mich für dich. Ich bin aber leider verabredet.«
    »Das macht doch nichts. Warum kommst du nicht ’n bisschen später zu deinem Date?«
    »Sorry, ja? Ich möchte gern allein hier warten.«
    Sie zuckte die Achseln und zog wieder ab.
    Zwanzig Minuten später, inzwischen waren einige Huren und diverse Freier durch die Bar gekommen, schob sich der Vorhang auf, und ein Riese im Anzug trat ein. Henrik hatte sofort das Gefühl, dass er diesen grauen Bürstenhaarschnitt schon einmal gesehen hatte. Der Mann sah sich um, ließ seinen Blick über die Frauen und ihre Kunden wandern, musterte auch Henrik im Bruchteil einer Sekunde. Da war keine Gier nach schnellem Sex, da war keine verdruckste Scham in seinem Blick. Er sondierte einfach nur das Feld, drehte sich dann um, nickte nach draußen, und mehrere andere Männer kamen herein, zwei Frauen im Schlepptau. Das helle Lachen, der fast tänzerische Schwung, mit dem sie die Haare schüttelte – Henrik erkannte sofort, dass eine von ihnen Michelle war, obwohl er sie zwischen all den Anzugträgern kaum sehen konnte. Die andere Frau kannte er nicht. Sie schoben sich in der Gruppe durch die Bar und verschwanden unmittelbar nach hinten. Bodyguards, schoss es Henrik Eusterbeck durch den Kopf. Die Riesen waren Leibwächter. Und in dem Moment, in dem ihm das klar wurde, meinte er auch den Mann zu erkennen, der die Lage geprüft hatte. War das nicht der Fahrer des Finanzministers?
    *
    Der Bankier Albert Ritter von Berthold Hagen war eine krude Mischung aus hochinteressanten Einblicken in die Welt von Bank und Börse und bizarren Andeutungen, die auf einen Verschwörungstheoretiker als Autor schließen ließen. Hagen hatte so sorgfältig recherchiert, dass man streckenweise den Verdacht hatte, er wäre auf Vorstands- oder Aufsichtsratssitzungen der Nationalbank dabei gewesen. Er hatte unzählige Interviews geführt und Dokumente aus dem Leben des ehemaligen Bankchefs ausgegraben, die nicht jeder seiner Hinterbliebenen gerne gesehen haben durfte. Das Buch war längst vergriffen. Es erzählte die Geschichte eines

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