Kalte Schulter - heisse Kuesse
schwierigen Verhältnissen stammt. Er hat mir immer mal wieder davon erzählt, und ich habe einige seiner Verwandten kennengelernt. Deswegen schätze ich ihn oder seine Arbeit aber doch nicht weniger.“
„Vielleicht nicht. Aber viele Menschen tun das. Außerdem hat jeder Vorurteile, auch du.“
War sie sich bewusst darüber, dass sie seine Hand umschlossen hielt? Chastity strahlte in diesem Moment eine eigenartige Energie aus, und Gabe verspürte auf einmal den dringenden Wunsch, sie zu küssen. Er wollte seinen Mund auf ihren pressen, wollte sie schmecken und sie berühren. Er wollte sie an sich ziehen und ihren herrlichen Körper erkunden. Warum ausgerechnet sie? Wieso verdrehte sie ihm so den Kopf?
Wahrscheinlich war es Hexerei. Hastig ließ er sie los, in der Hoffnung, den Bann zu brechen, wenn er den Körperkontakt beendete. Er verfluchte seine Schwäche und war nicht nur wütend auf Chastity, sondern auch auf sich.
„Vielleicht. Aber wenn ich jemanden beurteile, dann nur aufgrund von Fakten, die sich aus der Beziehung zu diesem Menschen ergeben, und aufgrund dessen, was er getan hat. Wenn zum Beispiel jemand einen reichen Mann wegen seines Geldes heiratet oder sich zwischen ihn und seine Familie stellt.“ So, jetzt war es endlich ausgesprochen. Mit angehaltenem Atem wartete Gabe darauf, dass Chastity ihm widersprach.
Der Mond schien zwar ziemlich hell, doch nicht so hell, dass Gabe ihre Miene deuten konnte. „Ich werde mit dir nicht darüber reden. Das führt zu nichts.“
Das war’s?, dachte Gabe enttäuscht. Natürlich hätte er ihr nicht geglaubt, wenn sie behauptet hätte, Tom aus Liebe geheiratet zu haben. Aber zumindest hätte es den Anschein erweckt, als hätte sie sich eingeredet, dass das der Grund gewesen war. Und diese Lüge wäre ihm lieber gewesen als dies hier: das stumme Eingeständnis, dass sie aus Geldgier gehandelt hatte.
Den Rest des Weges legten sie in eisigem Schweigen zurück. Vor ihrem Chalet blieb Chastity schließlich stehen und sagte kühl Gute Nacht, ohne Gabe anzuschauen oder einen Anflug von Reue zu zeigen. Dann ging sie.
7. KAPITEL
Chastity hörte Gabes Stimme, noch ehe sie ihn sah. Dabei hatte sie sich durch den Hintereingang in die Küche schleichen wollen, um mit Adam in Ruhe Mittag zu essen. Sie schaute in die Richtung, aus der die Stimme ertönt war, und traute ihren Augen nicht. War das wirklich Gabe, der da zusammen mit Dave auf einem Baugerüst stand und das Dach inspizierte?
Gabe in einer abgetragenen, eng anliegenden Jeans und mit einem ledernen Werkzeuggürtel um die Hüfte war ein beinahe verstörender Anblick. Hastig ging sie weiter, denn sie hatte sich vorgenommen, ihm heute aus dem Weg zu gehen. Den Vormittag hatte sie mit Lesen verbracht, und wenn sie es heute Nachmittag schaffte, das Buch aus der Hand zu legen, würde sie noch einen langen Spaziergang machen. Das Wetter war nicht mehr so gut wie gestern, also musste sie nicht unbedingt schwimmen gehen – redete sie sich ein, denn das hieße ja, dass sie Gabe Bescheid sagen müsste.
Gestern Abend war sie damit beschäftigt gewesen, all diese merkwürdigen Gefühle für ihn zurückzudrängen, als er sie beschuldigte, Tom wegen des Geldes geheiratet zu haben. Das reichte ihr fürs Erste. Sie war noch nicht bereit für eine zweite Runde.
„Hallo, Chastity!“, rief Dave. „Ist schon Essenszeit? Warten Sie, wir kommen mit.“
Na, wunderbar. Anscheinend spielte es keine Rolle, ob sie bereit oder stark genug war. Also wartete sie, bis die beiden Männer das Gerüst hinuntergeklettert waren.
Gabe hätte ihr niemals die Wahrheit geglaubt: dass sie Tom in einem Akt der Verzweiflung geheiratet hatte, weil sie das letzte Familienmitglied verloren hatte, zu dem sie eine enge Verbindung gehabt hatte. Dass sie sich einsam und verlassen gefühlt hatte und sowieso nicht wirklich an die große Liebe glaubte, die einem im Kino immer vorgegaukelt wurde. Tom war nett und liebevoll gewesen und hatte kein Geheimnis daraus gemacht, warum er heiraten wollte. Auch das war etwas, was Gabe ihr niemals glauben würde.
Gabe sprang leichtfüßig auf den Boden.
„Geht schon vor, ich hole die anderen Jungs.“ Dave winkte ihnen zu und verschwand.
Vergiss die letzte Nacht, ermahnte sich Chastity. Vergiss die Feindseligkeit. Vergiss diese merkwürdigen Gefühle, die vorher da waren. Es ist ein neuer Tag, und hoffentlich ein besserer. „Als du meintest, du würdest arbeiten, hatte ich mir darunter etwas anderes
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