Kalte Schulter, Heißes Herz
Berufstochter hält!
„Also, ich liebe das Theater“, behauptete Anita schrill und riss auf diese Weise die allgemeine Aufmerksamkeit an sich. „Vor allem das Kabarett.“ Dann riss sie die Augen übertrieben weit auf, als käme ihr gerade eine gute Idee. „Vor Kurzem hat gerade ein neuer Kabarett-Klub aufgemacht und wahnsinnig gute Kritiken bekommen. Wie wäre es denn, wenn wir gleich alle zusammen dorthin gehen?“
„Großartiger Vorschlag“, stimmte Alistair gut gelaunt zu und stand keuchend auf. „Wir sind hier sowieso fertig“, fügte er mit einem Kopfnicken in Richtung Bühne hinzu.
Anita sprang ebenfalls auf. „Klasse!“, freute sie sich und schenkte Leon ein strahlendes Lächeln.
Nur Flavia verdrehte heimlich die Augen. Für sie war es ein Albtraum, jetzt noch in einen Klub geschleift zu werden.
Plötzlich schüttelte Leon Maranz den Kopf. „Leider beginnt mein Tag morgen sträflich früh“, erklärte er. „Ich sollte wirklich nach Hause fahren.“
Ein Segen, seufzte Flavia im Stillen, musste aber wenig später feststellen, dass sie sich zu früh gefreut hatte. Viel zu früh.
„In diesem Fall“, schaltete Alistair Lassiter sich ein, „wäre ich Ihnen ausgesprochen dankbar, wenn Sie meine Tochter sicher heimbringen könnten. Das macht Ihnen doch keine Umstände? Ich wäre ansonsten nämlich sehr in Sorge um meine Kleine.“
Die verlogene, vorgespielte Vaterliebe brachte Flavia beinahe zum Würgen. Hastig stieß sie ihren Stuhl zurück. „Ich kann mir genauso gut ein Taxi nehmen“, sagte sie entschieden.
Aber Leon ergriff die Gelegenheit beim Schopfe. „Nicht im Traum“, widersprach er. „Selbstverständlich begleite ich Sie zurück zu Ihrem Apartment.“
Ihr Vater rieb sich die Hände. „Sehr schön. Gut, dann wollen wir mal!“
Mir steht nur noch der Heimweg bevor, versuchte sich Flavia zu trösten, während sie gemeinsam das Hotel verließen. Und möglicherweise schaffte sie es ja trotzdem, draußen schnell ein Taxi herbeizuwinken?
Aus der Traum! Vor dem Eingang hielt Leons Chauffeur ihnen bereits die Tür seiner Limousine auf, und Flavia blieb nichts anderes übrig, als hinten einzusteigen. Zum Glück erwies sich der Innenraum des Wagens als riesig, und sie rutschte schnell zum äußeren Ende der Sitzbank, um sich dort anzuschnallen. Leon nahm auf der anderen Seite Platz und streckte seufzend die Beine vor sich aus, und einen Moment später bog der Fahrer schon auf die Park Lane ein.
Der Heimweg zum Regent’s Park dürfte fünfzehn, höchstens zwanzig Minuten dauern, schätzte Flavia.
Ob Leon Maranz ihr gleich wieder ein unangenehmes Gespräch aufzwingen würde? Zu ihrer Erleichterung schien er sich damit zufriedenzugeben, sie von Zeit zu Zeit kurz anzulächeln und ansonsten einige Telefonate zu erledigen. Flavia lehnte den Kopf an den kühlen Ledersitz und schloss ihre müden Augen.
Sie wollte seine Blicke nicht erwidern, ebenso wenig wie sein Lächeln. Wie er da auf dem Sitz lümmelte, mit ausgestreckten Beinen und ohne Jackett … man konnte praktisch jeden Muskel seines Oberkörpers durch das dünne Hemd erahnen. Nein, das wollte sie wirklich nicht genauer betrachten! Besser, sie tat so, als würde er gar nicht existieren.
Gleich bin ich ihn los, und diese ganze absurde Situation ist endlich vorbei, sagte sich Flavia. Wir werden uns nie wiedersehen.
Verwundert wartete sie auf die Vorfreude, die sich eigentlich einstellen sollte, aber stattdessen war sie sogar etwas enttäuscht. Flavia riss die Augen auf und sah den rätselhaften Mann neben sich nun doch direkt an. Ihm hatte sie diese ganze Seelenqual zu verdanken, ihm allein.
Wieder pochte ihr Herz schneller, und Leons markante Gesichtszüge schienen vor ihren Augen wie in einem Scheinwerferlicht zu erstrahlen. Ewig hätte sie diese männliche Schönheit betrachten können, ohne auch nur einmal zu blinzeln. Sie wollte buchstäblich in seinem Anblick ertrinken …
Aber wir werden uns nie wiedersehen, erinnerte sich Flavia streng.
Und plötzlich – so verrückt und unvernünftig das auch war – wusste sie, dass ihr diese Vorstellung nicht mehr gefiel. Sie wollte nicht, dass sie Leon nur noch sehen konnte, wenn sie im Internet nach ihm suchte oder sein Foto zufällig in einer Zeitung entdeckte. Das reichte ihr einfach nicht!
In dieser eleganten Limousine, mit einem anonymen Fahrer hinter einer getönten Glasscheibe, war die restliche Welt vollkommen ausgeschlossen. Das Leben, in dem Flavia ihren Vater und
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