Kalte Schulter, Heißes Herz
war es leichter für sie, denn er brachte mit nur einem Blick oder einem bestimmten Satz ihre Selbstkontrolle ins Wanken. Deswegen starrte sie geradeaus und lauschte seinen Ausführungen über das Paradies in der Nähe von Mallorca.
„Santera ist ziemlich flach und verschwindet fast im Meer. Trocken, sandig, aber ich finde es toll dort. Wunderschöne Strände und nur eine befestigte Straße, die zum winzigen Hafen führt, über den man mit Vorräten oder Post versorgt wird. Neben meinem gibt es nur noch wenige Häuser auf der Insel. So genießt jeder Einzelne wirklich maximale Privatsphäre.“
„Das klingt großartig“, sagte sie gedehnt. In seinem Tonfall hatte sie eine Hingabe gehört, die vorher nicht da gewesen war. Unabsichtlich trafen sich ihre Blicke, und Flavia sah hastig zur Seite. Sie nahm einen Schluck Champagner und wartete ab, bis Leon weitersprach.
„Ist es auch.“ In seinem Kopf formte sich ein Plan. „Allerdings alles andere als luxuriös.“
Sie zuckte die Achseln. „Das ist ja auch nicht wichtig.“
Seine Augen wurden zu Schlitzen, und er presste die Lippen aufeinander. Was hatte das alles zu bedeuten? Flavia war die Tochter eines reichen Mannes, der sie mit Designersachen ausstaffierte, und ihr war Luxus angeblich egal?
„Leicht gesagt, wenn man nie darauf verzichten musste.“
Mit verschlossener Miene wandte sie sich ihm zu. „Entschuldige, das war dumm von mir.“ Und sie klang sehr ernsthaft dabei.
Während des Dinners grübelte Leon über Flavias widersprüchliches Verhalten nach, kam aber zu keinem schlüssigen Ergebnis.
Immer wieder wanderte Flavias Blick zu ihm. Etwas änderte sich gerade im gegenseitigen Wahrnehmen, nur konnte sie nicht genau einordnen, was es war. Eventuell lag es auch an diesen geschichtsträchtigen Räumen, in denen sie außergewöhnlich gutes Essen serviert bekamen, und an dem Charme des alten Gemäuers.
Die gewölbte Decke des eigentlichen Restaurants war vollständig bemalt, und die Säulen an den Wänden hatte man vergoldet. Alles wirkte alt, edel und unheimlich authentisch. Man konnte nicht anders, als sich von dieser Umgebung verzaubern zu lassen.
Am meisten lag das allerdings an dem wunderbaren Leon Maranz!
Wenn ich nur frei wäre, dachte sie. Vollkommen frei und auf niemanden Rücksicht nehmen müsste außer auf meine eigenen Bedürfnisse. Was könnte da alles passieren?
Er war ein überwältigender Mann, was ihr furchtbar Angst machte. Schon einmal war sie vor ihm geflohen, zurück zu ihrer Verantwortung. Zu ihrer Großmutter, die von der Enkelin abhängig war. Flavia durfte nichts mit Leon Maranz anfangen, ihre Lebensumstände ließen es nicht zu.
Aber wäre sie frei, würde sie das Wagnis eingehen. Denn einen Mann wie ihn hatte sie noch nie getroffen, und sie wünschte sich nichts mehr, als bei ihm zu sein. Das war die grausame Wahrheit.
Wenn ich nur könnte, wie ich wollte, überlegte Flavia traurig. Ich würde hier mit Leon zusammensitzen, ohne den negativen Druck von meinem Vater. Keine Großmutter, kein verschuldetes Harford. Nur wegen Vater ist diese kostbare Zeit mit Leon von einer Lüge überschattet!
Sie konnte sich nicht vorstellen, warum ausgerechnet Leon Maranz so starke Gefühle in ihr auslöste, aber daran ließ sich jetzt nichts mehr ändern. Flavia war sicher, niemals wieder jemanden wie ihn zu finden. Und genau diese Tatsache machte es unerträglich, Leon im Namen ihres Vaters so schäbig hinters Licht zu führen. Die Lüge beschmutzte alles, was sich gerade zwischen ihnen beiden entwickelte.
Sie sah ihm direkt in die Augen, und das Begehren zwischen ihnen flammte sofort auf. Sie fühlte es, als hätte Leon sie intim berührt und nicht nur angesehen. Allmählich wurde ihr etwas klar: Ihr Vater und sie wollten im Prinzip dasselbe, nur aus unterschiedlichen Beweggründen.
Er wollte von ihr, dass sie Leon verführte, um ihn bei Laune zu halten. Flavia hatte sich gefügt und mit Leon verabredet, weil sie ihrer Großmutter damit half. Aber inzwischen stand fest, dass Flavia sich nichts Schöneres vorstellen konnte, als sich Leon hinzugeben!
Was geschehen soll, geschieht sowieso, sagte sie sich. Ich werde mir diese einmalige Gelegenheit nicht von meinem egoistischen, charakterschwachen Vater kaputt machen lassen!
Sie würde jeden Gedanken an den Alten verdrängen und nicht zulassen, dass er diesen herrlichen Abend verdarb. Sie musste einfach vergessen, was er ihr antat, und sich voll und ganz auf Leon konzentrieren. Sie
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