Kalte Schulter, Heißes Herz
„Dir Harford zu schenken war das Einzige, was mir in den Sinn kam, um mein Gewissen zu erleichtern. Ein besonders großes Geschenk ist es ja eigentlich nicht, wenn man die Schuldenlast bedenkt, die auf dem Haus liegt. Und der private Kreditgeber …“
„Du sprichst von deinem Vater?“
Sie schluckte. „Genau. Entschuldige.“
„Du entschuldigst dich?“
„Natürlich. Diese Schulden mindern den Wert des Anwesens beträchtlich.“
„Allerdings“, schnaubte Leon. „Erstaunlich, dass er so horrende Zinsen verlangt hat. Immerhin war das Darlehen für seine eigene Schwiegermutter bestimmt!“
„Er hatte nichts für sie übrig“, kommentierte Flavia leise.
„Gab es dafür einen triftigen Grund?“
„Nein. Sie mochten sich einfach nicht.“
„Offensichtlich“, schloss er trocken. „Welcher Vater verlangt eine so hohe Rückzahlung von seiner eigenen Tochter? Die er angeblich über alles liebt? Er hat mir x-mal versichert, wie wahnsinnig wichtig du ihm bist, Flavia. Und dass allein sein Geld Harford am Laufen hält.“
Darauf konnte sie nicht antworten.
„In Wahrheit lag eine tonnenschwere Kreditschuld auf deinen Schultern, die er allein zu verantworten hatte! Und auf dem Haus, das du von deiner Großmutter geerbt hast … achtundvierzig Stunden nachdem du aus Palma abgereist bist. Und ich bombardiere dich auch noch am Tag der Beerdigung in Harford mit Vorwürfen!“ Seine Stimme zitterte inzwischen vor Wut und Selbstverachtung. „Jetzt erzähl mir die ganze Geschichte, Flavia, ohne weitere Ausflüchte! Hast du verstanden? Ich bin monatelang durch die Hölle gegangen, das bist du mir schuldig!“
Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an. „Leon, bitte … Ich kann das alles doch nicht ungeschehen machen. Deshalb wollte ich dir beweisen, wie leid es mir tut. Was ich getan habe, war unter aller Würde. Das hattest du nicht verdient.“
„Aber du hast es? Willst du damit andeuten, du selbst hast es verdient?“ Er schüttelte wild den Kopf. „Allmächtiger! Wieso hast du nicht einfach den Mund aufgemacht?“
„Um dir was zu sagen?“
Leon fluchte. „Zum Beispiel, warum du dich nicht mehr bei mir gemeldet hast. Dass dein Vater mit einer Zwangsversteigerung droht. Dass du deine todkranke Großmutter pflegst und aus Palma geflüchtet bist, weil sie im Sterben liegt. Ich kann nicht verstehen, wie du mich derart im Unklaren lassen konntest! Und dann schenkst du mir dein Erbe, weil du meinst, das wärst du mir schuldig!“
Flavia zwang sich dazu, auf seine Vorwürfe einzugehen. „Leon, ich habe ganz bewusst eine Affäre mit dir begonnen, um Harford zu retten. Das stimmt leider. Ich hatte meine Gründe, aber das macht es nicht besser. Mein Vater wollte, dass ich dich bei Laune halte.“
In seinem Gesicht zuckte es, aber er ließ sie ausreden.
„Ich habe mir eingeredet, keine andere Wahl zu haben. Meine Grandma war mental in denkbar schlechter Verfassung. Sie hätte es nicht ertragen, entwurzelt zu werden, also habe ich mitgespielt. Dabei wusste ich, wie falsch und unmoralisch das alles war. Ich habe Sex benutzt, um finanzielle Sicherheit zu gewährleisten, obwohl ich Anita immer dafür verachtet habe. Und plötzlich war ich nicht besser als sie.“
„Das denkst du wirklich?“, fragte er ungläubig. „Dass du nicht besser bist als sie?“
„Ja. Was denn sonst?“
„Wie wäre es denn, eure Motivation zu vergleichen? Du wolltest das Zuhause von dir und deiner Großmutter retten, weil dein eigener Vater dich erpresst. Ihr geht es nur um Klamotten und teure Partys. Also wirklich, Flavia!“ Mit beiden Händen raufte er sich die Haare. „Erzähl mir doch nicht, du wärst auf Santera nur bei mir geblieben, um dein Haus abzusichern!“
Schmerzgepeinigt schloss sie die Augen. „Das hat alles nur noch schlimmer gemacht. Ich war so unendlich glücklich mit dir, dabei hatte es völlig falsch angefangen. Mein schlechtes Gewissen hat mich gequält, aber ich war nicht mutig genug, mich dir anzuvertrauen. Ich hätte deinen Blick nicht ertragen können.“ Ihr wurde ganz elend, dennoch fuhr sie fort. „Vor allem hatte ich enorme Schuldgefühle, nachdem ich meine Großmutter in die Hände von Pflegekräften abgeschoben habe. Als dann der Anruf kam und ich erfuhr, ihr Zustand hätte sich drastisch verschlechtert, bin ich fast verrückt geworden. In ihrer schwärzesten Stunde habe ich mich auf irgendeiner Insel amüsiert. Vielleicht wäre es gar nicht so weit gekommen, wäre ich von vornherein
Weitere Kostenlose Bücher