Kalte Spur
Blick.
»Mädchen, was wollt ihr?«, wollte Mr. Logue wissen.
»Dürfen wir draußen spielen?«, bat Jessica. »Hinterm Haus?«
»In diesem Aufzug?«, fragte die ältere Oveerstreet-Schwester und verzog den Mund zu einem gekünstelten Lächeln.
»Wir können uns ja umziehen«, meinte Jessica leise.
Ihr Dad zeigte auf Hailey. »Hatten wir nicht verabredet, diese alten Sachen wegzuwerfen?« Lucy fand, er wirkte aufgebracht.
»Einverstanden, Mädchen«, sagte Jessicas Mom, stand auf und ging nicht weiter auf die Frage ihres Mannes ein. »Ihr könnt hinten spielen.«
Mr. Logue warf ihr einen verärgerten Blick zu, griff aber nicht ein. Die drei Mädchen flatterten die Treppe runter, durch die Diele und zur Hintertür raus.
»Es hat geklappt«, lachte Hailey, sobald die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war.
»Habt ihr sie gerochen?«, fragte Jessica.
»Irgendwas roch jedenfalls faul«, meinte Lucy. Und obwohl sie draußen waren und Verstecken spielen durften, wäre sie lieber zu Hause gewesen.
Siebtes Kapitel
Tags darauf verzog sich Joe nach dem Abräumen des Abendbrottischs in sein kleines Büro neben der Umkleide und schloss die Tür hinter sich. Das Zimmer war beengt und nur schwach beheizt. Darin befanden sich ein von der Behörde gestellter Metallschreibtisch, zwei Hängeregistraturen mit je vier Auszügen und Regalen voller Gesetzestexte, Bücher über Biologie und Reviergestaltung, der Werkausgabe von John McPhee und spiralgehefteten Richtlinien der Jagd- und Fischereibehörde. Das Geweih des ersten Bocks, den er erlegt hatte, prangte hinter ihm an der Wand. Kappen, Hüte, Fernglas und sein grauer, schweißfleckiger Stetson hingen über den fünf Enden. Während er die Schreibtischlampe einschaltete und den Computer hochfuhr, warf er einen Blick auf die Titelseite des Saddlestring Roundup.
Sie sind wieder da …
Verstümmelte Rinder im Landkreis entdeckt
Gehört auch ein Elchbulle zu den Opfern?
Das Foto neben dem Artikel zeigte die Kadaver auf der Hawkins Ranch und Sheriff Barnum in ihrer Mitte. Der Beitrag enthielt Zitate von Don Hawkins, dem Sheriff, Hilfssheriff McLanahan und Joe. Obwohl der Bericht fehlerfrei war, zuckte Joe bei der Lektüre zusammen und vermutete, dass es Barnum ebenso ging, denn der Text hatte etwas unangenehm Unwirkliches. Es handelte sich um ein Thema, das er für gewöhnlich verächtlich ignorierte, wenn er es in den Schlagzeilen der Boulevardpresse entdeckte.
Mindestens ein Dutzend Rinder und ein Elchbulle mit ähnlichen Verstümmelungen wie Mitte der 1970er Jahre wurden jüngst in unserer Gegend gefunden, wie O. R. »Bud« Barnum, der Sheriff von Twelve Sleep County, jetzt bestätigt hat …
Der Bericht fasste zusammen, was auf der Ranch zu sehen gewesen war, beschrieb die toten Rinder als »grausig und unheimlich« und nannte die Verstümmelungen »unerklärlich«, ehe die Leser auf die Fortsetzung im Innern der Zeitung verwiesen wurden.
Joe las weiter:
… Mitte der 1970er Jahre wurde in den westlichen Rocky Mountains, vor allem in Montana, Wyoming und Utah, eine Welle von Rinderverstümmelungen gemeldet.
Rinder, Schafe und andere Nutztiere wurden mit entfernten Genitalien und anderen Organen tot aufgefunden. In vielen Fällen waren zudem ein Teil der Gesichtshaut sowie Augen, Zunge, Ohren und Drüsen entnommen worden. Angeblich soll ihnen auch Blut abgezapft worden sein …
… Die Spekulationen über die Todesursache reichten von Regierungsexperimenten bis hin zu Kulthandlungen oder dem Besuch Außerirdischer. Trotz Ermittlungen vor Ort ließ sich die Sache nicht richtig erhellen, obwohl ein FBI-Bericht 1978 konstatierte, die Todesfälle hätten natürliche Ursachen und die »Verstümmelungen« seien durch Aasfresser und Verwesung entstanden. Ein Blick in die Akten des Landkreises ergab, dass die Rinderverstümmelungen nach den ersten Anzeigen aufhörten und seither keine weiteren Fälle gemeldet wurden …
Die Journalistin hatte heimische Rancher über die über dreißig Jahre zurückliegenden Verstümmelungen befragt und
den längst pensionierten Leichenbeschauer des Countys interviewt, der sich an die Fälle zwar erinnerte, die entsprechenden Akten aber nicht finden konnte. Joe bemerkte die Ähnlichkeiten mit zunehmendem Unbehagen. Die Verstümmelungen klangen wirklich gleich: die Entfernung von Haut und Genitalien, die aufgeblähten Kadaver, die Tatsache, dass die Tiere nicht mal angefressen worden waren, das Fehlen einer
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