Kalte Spur
Situation zu entspannen.
»Toll.« Joe griff zum Mahnblock, den er stets in der Gesäßtasche trug. »Aber es ist Bogenschützen- Saison, Sportsfreunde. Pfeil und Bogen sind gefragt. Wer eine Handfeuerwaffe dabeihat,
verletzt nicht nur die Bestimmungen, sondern verstößt auch gegen die Jagdmoral.«
»Ich hab doch gesagt, dass sie nur zur Selbstverteidigung gedacht ist«, stieß O’Bannon hervor. »Ich hab nicht einen Schuss daraus abgefeuert!«
»Verstehe.« Joe klappte den Block auf. »Und unter anderen Umständen – wenn Sie zum Beispiel jemand anderer wären –, würde ich vermutlich eine strenge Verwarnung aussprechen. Aber Jeff, Sie sind ein spezieller Fall.«
Er blätterte in seinem verschossenen Heft mit den Vorschriften, fand die gesuchte Seite und verlas im Licht der Scheinwerfer: »Gesetz 23/2, Paragraf 104, Absatz d. Wer einen Schein für die Jagd mit Pfeil und Bogen besitzt, darf in der eigens für Bogenschützen ausgewiesenen Jagdzeit Rotwild und Geweihträgern nur dann nachstellen, wenn er keine Feuerwaffe mit sich führt.«
Joe schrieb die Anzeige, während O’Bannon seinen früheren Freund zornig anfunkelte.
»Sie haben außerdem gegen das Verbot verstoßen, verdeckte Waffen zu tragen – es sei denn, Sie besitzen eine gültige, von Sheriff Barnum abgezeichnete Genehmigung«, fuhr Joe fort. »Wenn ich mich recht entsinne, kann Ihnen das ein halbes Jahr Gefängnis einbringen. Haben Sie so eine Genehmigung?«
»Das fechte ich an!« O’Bannon schnappte sich die Anzeige und schob sie in die vordere Hosentasche. »Ich seh Sie vor Gericht!«
»Das werden Sie«, versicherte ihm Joe. »Und bis dahin rate ich Ihnen, eine Zeit lang zu Hause zu bleiben. Sie haben bei Richter Pennock bessere Karten, wenn Sie Reue zeigen – auch wenn sie bloß geheuchelt ist.«
O’Bannon sah aus, als würde ihn gleich der Schlag treffen.
Seine Augen waren jetzt weit aufgerissen, er schob den Kiefer vor. Die Hände hatte er zu fleischigen Fäusten geballt.
Joe legte zur Warnung die Hand an seine Pistole und war achtsam angespannt. Er schämte sich ein wenig, seinen Tagesfrust an Jeff O’Bannon auszulassen. Aber nur ein wenig.
Pete sah von O’Bannon zu Joe und wieder zurück.
»Kann ich mit Ihnen in die Stadt fahren?«, fragte er.
Joe lächelte. »Springen Sie rein.«
Nach dem Abendessen, das Marybeth wieder mal auf dem Heimweg vom Schnellrestaurant geholt hatte, checkte Joe seine Mails. Keine Nachricht vom Labor über die eingesandten Gewebeproben, nichts von Trey Crump über den Grizzly, nichts von Hersig über irgendwelche Fortschritte in der Untersuchung.
Marybeth kam in sein Büro und schloss die Tür.
»Ist dir beim Abendessen was aufgefallen?«, fragte sie.
Joe verzog das Gesicht und musterte sie rasch. Keine neue Frisur, und auch ihre Sachen kannte er. Es musste um etwas anderes gehen.
»Als Cam vorhin Lucy nach Hause brachte, war sie ganz durcheinander. Er hatte die Mädchen gebeten, die Nebengebäude des Hauses nicht zu erkunden, und rate, wo sie nach der Schule waren.«
»Alles in Ordnung mit ihr?«
Marybeth nickte. »Es geht ihr gut. Aber Cam war sehr wütend auf sie und seine Tochter und hat Jessica verboten, in nächster Zeit mit ihr zu spielen.«
»Aber verletzt wurde niemand?«
»Nein. Ich hab Lucy gesagt, dass sie auf Cam und Marie hören muss, wenn sie bei ihnen zu Besuch ist.«
Joe nickte.
»Ist dir gar nicht aufgefallen, dass sie während des Essens kein Wort gesagt hat?«
»Tut mir leid, ich war in Gedanken woanders.«
»Wie ist deine Arbeitsgruppensitzung denn gelaufen?«
Joe lehnte sich an den Schreibtisch und brachte sie auf den Stand der Dinge. Sie verzog mehrmals das Gesicht, während er ihr das Treffen beschrieb, und lachte über McLanahans Araber-Theorie.
»Du wärst sicher froh gewesen, wenn man dich nicht in diese Arbeitsgruppe eingeteilt hätte.«
»Dass ich dort sitzen muss, hab ich Trey und Hersig zu verdanken.«
Sie musterte ihn. »Meinst du, Portenson wird uns Schwierigkeiten machen?«
Joe nickte. »Ich bin mir sicher, dass er mich genau beobachten wird. Und Nate hat er auch erwähnt.«
»Das tut mir leid.«
Er zuckte die Achseln, als wollte er sagen: Damit mussten wir rechnen.
Um rasch das Thema zu wechseln, fragte er sie nach ihrem Tag.
»Cam bietet von Tag zu Tag mehr Häuser und Höfe an. Die Rancher singen wahre Lobgesänge auf ihn. Aber diese Verstümmelungen … Im Moment will einfach niemand kaufen. Cam versucht die Anbieter dazu zu
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