schließlich diesen Kerl, der sie als Miststück beschimpft hatte. Während ihre Schwester redete, drehte Lucy den Saum ihres Pyjama-Oberteils zwischen den Fingern und verriet so ihr schlechtes Gewissen.
»Er hat Sherry Miststück genannt!«, wiederholte sie überflüssigerweise.
»Aber er ist euch nicht gefolgt?«, fragte Joe.
Die Mädchen schüttelten den Kopf.
»Sicher?«
Sheridan nickte. »Wir haben uns beim Wegrennen umgeschaut. Ich hab ihn in den Schuppen gehen sehen.«
»Hast du Barnum verständigt?«, fragte er Marybeth.
»Nein, ich wusste nicht, ob du das willst. Aber wir können ihm immer noch Bescheid geben.«
»Cam Logue muss ihn anrufen«, sagte Joe. »Ich weiß gar nicht, warum er das nicht getan hat, als die Mädchen das erste Mal auf diesen Kerl gestoßen sind.«
»Das war bestimmt nur ein Obdachloser«, meinte Sheridan. »Jetzt schäme ich mich, ihn belästigt zu haben. Echt schlimm, dass ein erwachsener Mensch so leben muss.«
Marybeth warf Joe einen mahnenden Blick zu, auf ihrer Linie zu bleiben und die Standpauke aufzufrischen, die sie den Mädchen am frühen Abend gehalten hatte. Sie kannte ihn gut genug, um zu befürchten, dass er weich würde. Und da er fand, dass sie recht hatte, bemühte er sich, weiter streng und ungerührt dreinzusehen.
»Mädchen, es ist längst Schlafenszeit. Gebt eurem Dad einen Gutenachtkuss und ab ins Bett. Über eure Strafe sprechen wir später.«
Die Mädchen waren offensichtlich erleichtert, die Sache hinter sich zu haben. Sie gingen auf Joe zu, doch plötzlich erstarrte Sheridan und sah an ihrem Vater vorbei in die Umkleide. »Was ist denn mit Maxine los?«
»Die ist erschöpft. Ich dachte heute Abend eine Zeit lang, ich hätte sie verloren.«
Sheridan schaltete das Licht in der Umkleide ein.
»Sie ist ja ganz weiß!«, rief sie fassungslos.
»Ist sie in einen Farbeimer gefallen?«, fragte Lucy.
»Vermutlich hatte sie große Angst während ihres Alleingangs«, erklärte Joe. »Das soll bei Tieren manchmal passieren, dass ihr Fell vor Angst weiß wird.«
»Aber sonst fehlt ihr nichts?« Sheridan beugte sich über den Hund und tätschelte ihn.
»Ich denke, sie ist okay. Vermutlich ist sie bloß müde, weil sie so weit rennen musste, um mich einzuholen.«
Er sah zu, wie die Mädchen den schlafenden Hund hätschelten. Marybeth wartete kurz, ehe sie die beiden ins Bett scheuchte.
Als sie verschwunden waren, wandte sie sich an Joe. »Unglaublich, wie weiß sie ist.«
»So was hab ich noch nie gesehen.« Er ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen. »Genau wie vieles von dem, was seit Kurzem hier passiert.«
»Was hast du nun vor?«
Er seufzte. »Ich muss noch meine Mails checken. Mal sehen, ob es was Neues gibt. Dann komm ich hoch.«
»Mach nicht so lange.«
»Versprochen.«
»Geh bitte nicht gleich schlafen«, rief er ihr noch nach. »Ich möchte noch ein paar Dinge mit dir bereden.«
»Okay.« Ihr Lächeln überraschte ihn freudig. Bei Marybeths
übervollem Tagesprogramm war es schon eine Weile her, seit sie zusammen zu Bett gegangen waren, ohne übermüdet zu sein.
»Ich sag’s dir.« Er lächelte zurück. »Das war vielleicht ein Tag. Ich hab mir einen Kornkreis angesehen, der keiner war, hab mich mit Nate getroffen und dann unseren Hund verloren.«
»Hmmmm«, schnurrte sie und dachte offensichtlich darüber nach, was sie als Nächstes sagen sollte. »Ich hatte auch einen interessanten Tag. Mach nicht so lange.«
Nichts von Robey, Trey Crump oder sonst wem. Nur wieder Post von
[email protected].
»Oh nein«, flüsterte Joe.
Diesmal gab es keine Fotos, nur Text:
Lieber Joe,
hoffentlich hast Du meine letzte Mail bekommen – ich hab nichts von Dir gehört und bin mir darum nicht sicher :) Ich hoffe, die Bilder haben Dir gefallen. Hier wird’s immer verrückter, deshalb muss ich mich kurz fassen. Ich hab Dir ein paar wichtige Dinge zu sagen, die Du sicher erfahren willst, und weiß nicht, wie lange ich das noch tun kann. Bitte komm möglichst bald vorbei oder antworte mir wenigstens. Jetzt weiß ich viel mehr. Ich muss Schluss machen. Er kommt jeden Moment wieder. Immer wenn man denkt, es könnte nicht seltsamer werden, wird es noch seltsamer.
In Liebe :)
Deena
Joe schrieb zurück:
Deena,
ich komme morgen Vormittag. Hoffentlich geht’s Dir gut. Wenn Du mit mir reden willst, ohne dass er dabei ist, sag es mir, und wir fahren irgendwohin. Es ist wichtig, dass Du in Sicherheit bist. Wenn Du jetzt Hilfe brauchst,