Kalte Spur
ergraute. Wie sein Cousin Nicht-Ike lächelte er gern und hatte dunkle, ausdrucksstarke Augen.
Auch er hatte Zeitung gelesen; auf dem Tisch lag die Seite aufgeschlagen, auf der die Story über die VERSTÜMMELTEN LEICHEN, bei denen es KEINE FORTSCHRITTE gab, fortgesetzt wurde.
»Bevor Sie mich fragen, was immer Sie wollen, darf ich eins sagen?«, bat Ike.
»Sicher.«
»Danke, dass Sie so nett zu meinem Cousin George waren. Ich weiß, dass er Ihre Geduld mit seinen Kurzzeit-Angelgenehmigungen und all dem anderen Zeug auf harte Proben stellt.«
Joe ächzte und blickte zu Boden.
»Ich hab ihn immer wieder dazu bringen wollen, eine Jahreslizenz zu kaufen«, fuhr Ike fort, »aber ich dringe einfach nicht zu ihm durch. Es ist sehr großzügig von Ihnen, nicht ganz so streng mit ihm zu sein, Joe. Mir ist klar, dass Sie ganz anders handeln könnten. Fliegenfischen ist sein Leben, und ich schätze, solange er angelt, gerät er nicht in irgendwelche Schwierigkeiten.«
»Ja, Ike. Ich weiß.«
»Aber ich weiß das wirklich zu schätzen, Joe. Dorothy und ich, wir sind Ihnen beide dankbar.«
»Gut, Ike, das reicht.«
»Also, was führt Sie so früh am Morgen zu mir?«
Joe blickte auf. »Wie funktioniert das mit den Bodenrechten?«
Ikes Augen wurden schmal, und er zögerte. »Lassen Sie
mich noch einen Kaffee holen. Ihnen das zu erklären, wird ein wenig dauern.«
Ike Easter benutzte zum Erklären einen Notizblock und schrieb oben auf die Seite ÖGB.
»Damit sind Öl-, Gas- und Bodenrechte gemeint«, sagte er. »Sie werden meist für eine gewisse Zeit verkauft, können vom Landbesitzer aber auch behalten werden. Nach Veräußerung der Rechte zahlt der Erschließer dem Eigentümer des Grundstücks für gewöhnlich eine Gebühr und manchmal einen kleinen Prozentsatz von dem, was die Verwertung der ÖGB bringt.«
»Sind die wie Wasserrechte?«, wollte Joe wissen.
Ike schüttelte den Kopf. »Nein. Wasserrechte lassen sich nicht vom Grundbesitz trennen. Wenn man sein Land also veräußert, erhält der Käufer auch diese Rechte. Man darf sie nicht behalten und verpachten oder an jemanden verkaufen, der weiter bachaufwärts oder -abwärts wohnt.
Die ÖGB dagegen können zwischen Unternehmen gehandelt werden oder an die Landbesitzer zurückfallen, wenn die Frist abläuft, für deren Dauer sie verpachtet wurden.«
Ike berichtete, der Markt für Bodenrechte in Wyoming habe Mitte des 20. Jahrhunderts seine größte Blüte erlebt, während der Boomjahre für Öl, Tronasalz, Kohle und Uran. Einige Landbesitzer verdienten damals am Verkauf ihrer Bodenrechte mehr, als sie mit der Rinder- oder Schafzucht je eingenommen hätten.
»Bis vor Kurzem hatten wir fast vergessen, wie viele Intrigen und Machenschaften sich um Bodenrechte ranken«, fuhr Ike fort. »Ich hatte hier einen Sachbearbeiter, der nicht wusste, was er tun sollte, als ein Landei mit texanischem Akzent
ins Büro kam und seine Rechte eintragen lassen wollte. Aber wir haben uns alle schnell wieder an dieses Hauen und Stechen gewöhnt.«
»Wegen der Flözgasgewinnung?«, fragte Joe.
»Ja. Wissen Sie, niemand hat nach der letzten Ölpleite kapiert, wie viel Gas da unten liegt. Plötzlich waren all die Lagerstätten, die jeder für erschöpft oder nutzlos hielt, wieder wertvoll. Eine ganze Reihe von Ranches hatten seit den ersten Bodenrechtsverpachtungen oder -verkäufen den Besitzer gewechselt, und einige Neueigentümer wussten nicht mal, dass andere ihre ÖGB besaßen. Viel von dem Gemecker, das wir von Ranchern kennen, die über Gasbohrungen auf ihrem Grund und Boden schimpfen, rührt daher, dass diese Leute festgestellt haben, dass ihre Bodenrechte schon vor Jahren verkauft worden waren.«
Joe versuchte, zum Kern der Sache vorzudringen. »Auch wenn eine Ranch verkauft wird, bleiben die Bodenrechte also bei dem, der sie erworben hat?«
»Richtig.«
»Auf der Timberline Ranch zum Beispiel sind sechshundert Gasschächte geplant. Die Rechte daran gehören einem Energieversorger. Ich nehme an, dass die Leute dort nie auch nur von Flözgas gehört hatten, als der Konzern die Rechte erwarb?«
»Richtig.«
Joe rieb sich das Gesicht. Er vermisste etwas: Es gab keinen Anreiz, das Land zu veräußern, zu kaufen oder seinen Wert zu manipulieren.
»Warum sollte eine Firma die Bodenrechte einer Ranch kaufen, wenn sie nicht weiß, was in der Erde steckt?«
Ike zuckte die Achseln. »Das ist dauernd geschehen und geschieht weiter, Joe. Unternehmen spekulieren eben.
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