Kalte Spuren (German Edition)
Blondies Schminkset zu enthalten schien.
»Nehmen Sie die Sachen heraus«, suggerierte die Stimme des Generals. »Alle.«
Eileen breitete sie auf der heruntergelassenen Schrankklappe aus, die jetzt als Schreibtisch diente. Die Aktenmappe war am auffälligsten und zog den Blick der Agentin beinahe magisch an. In der Schriftart Stencil prangten in Rot die fetten Lettern Top Secret auf dem Umschlag. Das war nicht einmal sonderlich interessant, denn die Agentin hatte während ihrer Zeit bei Homeland Security, der NSA und sogar den Marines unzählige solcher Heftchen zu Gesicht bekommen und auch den Inhalt gekannt. Was ihre Neugier weckte, war vielmehr das Emblem darunter. Sie hatte einen stilisierten Adler erwartet, der in den meisten Fällen als Wappen amerikanischer Bundesbehörden fungierte. Doch anstelle des Raubvogels prangte eine gelbe Speerspitze in einem ovalen Kreis auf schwarzem Grund. Darüber stand United States. Im unteren Segment des Ovals war im Halbrund der Zusatz Special Operations Command zu lesen.
Verfluchte Scheiße!
Das SOCOM stellte ein teilstreitkraftübergreifendes Kommando aller Spezialeinheiten der US-Streitkräfte dar. Ganz gleich ob Army, Navy, Air Force oder das United States Marine Corps – jede Teilstreitkraft steuerte Spezialeinheiten bei zu den übergeordneten Special Operations Forces, kurz: SpecOps. So gehörten dem SOCOM Kommandos der Ranger, der Green Berets oder des USMC ebenso an wie Verbände und Einheiten der besten Spezialeinheiten wie den Navy SEAL s oder dem 1st Special Forces Operational Detachment Delta, umgangssprachlich nur als Delta Force bezeichnet.
Eileen legte eine Hand auf die Akte und war kurz davor, den Pappdeckel zu öffnen.
»Zuerst den Koffer«, sagte der General. »Als Zeichen meines Vertrauens. Wir haben noch maximal fünf Minuten.«
Die Agentin fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, ließ die beiden Schlösser des Köfferchens aufschnappen und öffnete ihn. Weder Lippenstift noch Rouge. Keine Wattepads oder Eyeliner. In einer schwarzen Schaumstoffpassform lag eine Pistole des Fabrikats Heckler & Koch USP – die universelle Selbstladepistole. Ein Blick auf die drei Magazine mit den 9-mm-Patronen verriet Eileen, dass es sich um das bei der deutschen Bundeswehr eingesetzte Modell handelte. Die amerikanische Version – die SOCOM Mark23 – war ein Kaliber .45 ACP und fasste nur zwölf Patronen. In den Magazinen steckten jeweils fünfzehn Schuss.
»Die ist für Sie. Weitere Waffen warten in einem Versteck auf Sie, allerdings muss das warten. Bitte heben Sie die Schaumabdeckung an.«
Eileen nahm die Pistole und entdeckte ein viertes Magazin im Griffschacht. Die Waffe war bereits geladen. Unter dem Schaumstoff fand sie ein Holster, das sich an jedem Gürtel anbringen ließ. Daneben lag ein Blackberry-Smartphone mit vollständiger Tastatur und einem Netzteil zum Laden des Akkus.
»Das Telefon wird ab jetzt Ihr ständiger Begleiter sein. Es ist abhörsicher und durch den gleichen Code geschützt wie der Sekretär. Sie haben die Nummer noch im Kopf? Gut, dann prägen Sie sie sich gut ein. Machen Sie sich über die SIM -Karte mal keine Gedanken. Sie haben unbegrenztes Gesprächs- und Datenvolumen und bekommen garantiert keine Telefonrechnung von AT&T ins Haus. Ich habe Ihnen ein E-Mail-Konto zugewiesen. Meine Adresse ist gespeichert, wenn Sie mit mir Kontakt aufnehmen wollen. Die Telefonnummer finden Sie ebenfalls gespeichert. Rufen Sie mich aber bitte nur in den dringendsten Notfällen an, da ich nicht immer erreichbar bin oder frei sprechen kann. Kontaktieren Sie mich per E-Mail.«
Eileen musterte das Gerät und schaltete es ein. Als die Pincode-Abfrage auf dem Bildschirm erschien, gab sie die Ziffernfolge ein, die ihr auch den Sekretär geöffnet hatte. Auf dem Bildschirm leuchtete ein Willkommen auf, doch statt des erwarteten AT&T-Logos oder des Brandings einer anderen Telefongesellschaft erschien dort nur das Hintergrundbild des Betriebssystems. Ein Strand, blauer Himmel, eine Palme.
»Öffnen Sie jetzt bitte den Karton. Es eilt. Wir haben noch vier Minuten.«
Die Agentin klemmte das Holster an den Gürtel der neuen Jeans, schob die Pistole hinein und verstaute die übrigen Magazine in den Taschen der Lederjacke. Auch das Blackberry steckte sie ein, zog dann den Karton zu sich und klappte den Deckel auf. Ein schmuckloses Gerät mit Bildschirm, nicht größer als ihr altes Klapphandy, befand sich mit einem Netzteil in der Schatulle. Daneben
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