Kalte Spuren (German Edition)
Schultern. Dazu eine Cordhose, in der nur noch ein Bein steckte. Vor sich hatte er einen Pappkarton gestellt, in dem ein paar Quarter lagen.
»Bitte«, flehte der Mann und blickte sie aus trüben Augen von unten herauf an.
Eileen besaß noch immer kein Bargeld. Sobald sie wieder in Kontakt mit Mrs Stylez stand, musste sie sie fragen, ob die Ghost Card am Geldautomaten auch Bares ausspuckte.
»Tut mir leid«, sagte Eileen und stieg über die verkrüppelten Beine des Mannes. Sie suchte die Toiletten und fand sie unweit eines Kiosks.
Ein Polizist kam ihr entgegen. Sein Blick streifte sie kurz, dann sah er in eine andere Richtung und ging an ihr vorüber. Eileen erreichte den Kiosk, blieb stehen und interessierte sich für die neuste Ausgabe der Cosmopolitan . Während sie nur scheinbar das Magazin durchblätterte, huschten ihre Blicke immer wieder zu den Toiletten hinüber.
»Seite 33«, sagte eine Stimme neben ihr.
Eileen drehte sich um und sah sich einer Rothaarigen mit Sommersprossen und Zöpfen gegenüber. Sie grinste und entblößte eine Zahnspange.
»Bitte?«, fragte Eileen.
»Seite 33. Brad Pitt. Eine ganze Fotoserie. Sollten Sie sich mal ansehen. Der ist scharf. «
»Oh.« Eileen lächelte. »Danke für den Tipp.«
Sie wartete, bis die Frau sich umgedreht und gegangen war, dann schob sie das Magazin zurück in den Displayständer und wandte sich den Toiletten zu. Der Vorraum war bereits überfüllt. Frauen, die sich die Hände wuschen, ihr Make-up nachtrugen oder sich einfach nur den neusten Tratsch erzählten. Eileen ging weiter und suchte die dritte Kabine. Sie war verschlossen.
War klar. Stattdessen ging sie in die angrenzende Box und schloss hinter sich die Tür. Sie musterte den Keramiksitz. Er war sauber. Die Spülung bestand aus einem hängenden Wasserkasten über der Toilette, der mittels einer Kette entleert werden musste. Gut. Eileen hatte schon die Befürchtung, es mit einer Druckspülung zu tun zu haben und Fliesen aufstemmen zu müssen.
Sie wartete. Aus der Kabine neben ihr drang ein Ächzen. Dann hörte sie ein hartes Auftreten. Eileen presste ihr Ohr gegen die Wand. Die Tür auf der anderen Seite wurde aufgeschlossen. Schritte entfernten sich.
Eileen stieg auf den Beckenrand, griff nach oben und zog sich hoch. Im nächsten Moment setzte sie über die Trennwand und ließ sich in Kabine Nummer drei wieder heruntergleiten. Rasch zog sie die Tür zu und schob den Riegel vor. Dann drehte sie sich um und wollte auf den Keramiksitz steigen, um an den Wasserbehälter zu kommen. Jedoch lag die Abdeckung bereits neben ihr auf dem Boden. Jemand war ihr zuvorgekommen!
Sofort fuhr sie herum, öffnete die Tür und starrte der Frau hinterher, die vor ihr die Kabine benutzt hatte. Sie befand sich im Vorraum, machte keine Anstalten, sich die Hände zu waschen, sondern arbeitete sich durch das Gedrängel hindurch zum Ausgang.
Sie trug die blaue Uniform des Atlanta Police Departments.
»Das gibt’s doch nicht«, murmelte Eileen und setzte der Frau hinterher.
Als sie den Ausgang erreichte, war die Polizistin bereits in dem Getümmel der Bahnhofgäste verschwunden. Eileens Augen verengten sich. Sie sah in Richtung der Schließfächer und erkannte tatsächlich eine blaue Mütze, die aus der Menge hervorragte.
Die Agentin schob sich durch die Reihen der Fahrgäste und behielt auch die anderen Uniformierten im Auge. Ganz gleich woher die Polizei den Tipp bekommen hatte, Eileen konnte jetzt nur tatenlos mit ansehen, wie das Schließfach geleert wurde. Sicherlich wurden die Tresore bewacht. Wenn sie der Frau jetzt den Schlüssel wegnahm und sich selbst an dem Fach zu schaffen machte, würde die Polizei unweigerlich zugreifen.
Abwarten.
Eileen näherte sich den Schließfächern. Weiter hinten standen zwei Polizisten. Sie hielt sich zurück und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie die Frau aus der Toilette gezielt zum Fach 143 ging, den Schlüssel aus der Uniformtasche zog, ihn ins Schloss steckte und umdrehte. Die Klappe schwang auf. Mit beiden Händen griff die Polizistin hinein und zog einen Rucksack hervor, den sie in aller Gelassenheit schulterte. Sie ließ das Fach offen, den Schlüssel stecken und drehte sich um, genau in Eileens Richtung.
Eigentlich hatte die Agentin erwartet, dass die Frau zu ihren Kollegen ging und von ihnen eskortiert wurde. Irgendetwas stimmte nicht. Das war entweder keine offizielle Aktion des Atlanta PD oder die Frau war nicht einmal eine echte Polizistin.
Eileen
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