Kalte Spuren (German Edition)
die Hand am Ende des letzten Waggons nach einem Haltegriff aus, bekam ihn zu fassen und ließ sich von dem fahrenden Zug mitreißen, während sie mit der anderen den Rucksack packte und an sich presste. Der Ruck kugelte ihr fast die Schulter aus dem Gelenk, doch er hob sie auch gleichzeitig in die Luft. Vom Schwung getragen landete Eileen auf dem Übergangssteg, an dem zwei Waggons aneinandergekoppelt werden konnten.
»Tom?« Hinter sich hörte sie die Stimme eines der beiden Polizisten.
Der Zug bremste.
»Tom? Tom!«
Eileen biss die Zähne zusammen. Sie drehte sich um und fühlte ihre Ahnung bestätigt. Der Polizist beugte sich über seinen Partner, der beim Vorbeifahren der U-Bahn nicht so viel Glück wie Eileen und der andere Cop gehabt hatte. Offenbar war dies dem Zugfahrer nicht bewusst, denn er ließ die Bahn ganz normal in die Station einlaufen, als wäre nichts geschehen. Eileen öffnete die Sicherheitsleine und danach die Zugangstür. Während die Passagiere mit Ein- und Aussteigen beschäftigt waren, bemerkte niemand, dass sich jemand durch die Verbindungstür Zugang zum Wagen verschaffte.
Eileen überdachte rasch ihr weiteres Vorgehen. Sie konnte die U-Bahn verlassen, wieder über die Eingangshalle der Five Points Station nach draußen gelangen und zu ihrem Fahrzeug zurückzukehren. Aber die Cops in der Halle waren sicherlich jetzt in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Besser war, sie fuhr eine Station und ging den Weg zum Lexus zu Fuß zurück.
Fahrgäste stiegen ein. Ganz in der Nähe bemerkte Eileen eine Frau in dunkelblauem Hosenanzug mit weißer Bluse. Sie trug eine Sonnenbrille. Weiter hinten stiegen zwei Männer zu, ebenfalls in dunkelblauen Einreihern.
Bundesagenten, dachte Eileen. Sie erkannte sie an ihrer lauernden Haltung, ihren aufmerksamen Blicken.
Die Fahrt begann jetzt erst richtig.
13:04 Uhr
Eileen versteckte sich hinter einem bulligen Mann und ließ sich auf der Sitzbank zwischen einem Schwarzen mit Aktenkoffer und einer älteren Dame nieder. Von dieser Position konnte sie die anderen Agenten nicht sehen und war zuversichtlich, dass auch diese sie noch nicht entdeckt hatten.
Aber sie würden sie suchen und die Waggons systematisch durchstreifen.
Die Türen schlossen sich. Ein Signal kündigte die Abfahrt an. Die U-Bahn ruckte an und nahm Fahrt auf. Eileen zog das Blackberry aus dem Mantel und wählte das Nachrichtenmenü an. Rasch tippte sie mit den Daumen auf der integrierten Minitastatur eine E-Mail an Mrs Stylez.
Gwen,
habe das Päckchen. Komplikationen bei der Übernahme. APD war bereits vor mir da. Werde von Bundesagenten in Subway verfolgt. Optionen?
E.
Sie behielt das Blackberry in der Hand und hoffte einfach, dass Mrs Stylez nichts anderes zu tun hatte, als irgendwo vor einem Computer zu sitzen und auf E-Mails von ihr zu warten.
Es dauerte tatsächlich keine Minute, als ein leiser Signalton erklang und eine SMS ankündigte. Eileen wechselte in das entsprechende Menü und las die Nachricht.
Keine E-Mails mehr, bis ich neue Konten eingerichtet habe. Fahren Sie bis Peachtree Center. Ich hacke mich in das Leitsystem des Zuges ein und löse verzögertes Bremsen aus.
G.
Eileen runzelte die Stirn, drückte auf Antworten und tippte aus einem Impuls heraus ein Danke. Dann ließ sie das Blackberry in der Manteltasche verschwinden und machte sich bereit. Vor ihr kam Bewegung in die Fahrgäste. Als machten sie jemandem Platz. Eileen dachte sofort an die Frau, die ganz in ihrer Nähe zugestiegen war.
Dann ging alles ganz schnell.
Der Zug fuhr in die Station Peachtree Center ein. Eileen stand auf. Ihr Blick begegnete dem der anderen Agentin. Sie stand keinen Meter von ihr entfernt direkt hinter dem bulligen Mann, der Eileen gedeckt hatte.
Die Hand der Verfolgerin ruckte hoch zum Kehlkopfmikro. Vermutlich wollte sie ihre beiden Partner weiter hinten im Zugabteil warnen. Eileen drängte sich an dem Bulligen vorbei. Mit einer Hand riss sie der anderen Frau das Mikro vom Hals, die andere bohrte sich mit einem präzisen Stoß in den Solarplexus. Die Frau krümmte sich und fiel Eileen förmlich in die Arme. Ihre Sonnenbrille rutschte von der Nase.
Die Fahrgäste wurden unruhig, als der Zug nicht in der Station hielt, sondern einfach durchrauschte. Empörung machte sich breit.
»Ist Ihnen nicht gut?«, fragte Eileen betont laut. Sie bugsierte die andere Frau zu ihrem Sitz und platzierte sie zwischen dem
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