Kalte Wut
unserem letzten Aufenthalt hier in einer Nebenstraße gesehen habe. Dort hing ein Schild, daß sie ein Bild rahmen, während man darauf wartet. Dann bringe ich es zurück, nehme die Fantasieskizze heraus und ersetze sie durch die von Walvis.«
Sie sprang auf, holte das Branchenbuch aus einer Schublade, fand die Seite, nach der sie suchte, und rief mit einem Anflug von Triumph in der Stimme:
»Pfeiffer! Ich erinnere mich an den Namen, weil er für englische Ohren so ungewöhnlich klingt. Ich werde die falsche Skizze sofort machen und sie gleich morgen früh zu der Rahmenhandlung bringen. Wenn Sie es wollen.«
»Ja, bitte tun Sie das«, sagte Tweed.
»Es ist eine hervorragende Skizze«, verkündete Newman.
»Wenn man sie betrachtet, erhält man den Eindruck eines Mannes, der ungeheure Macht ausstrahlt. Ist es wirklich ein gutes Porträt von ihm?«
»Die Ähnlichkeit ist geradezu bestürzend.«
Obwohl er nur sehr wenig Schlaf bekommen hatte, genoß Newman sein Frühstück im Vier Jahreszeiten, bei dem Lisa ihm Gesellschaft leistete. Sie trug einen Kaschmirpullover mit Rollkragen, eine in kniehohen Stiefeln steckende Leopardenfell–Skihose und auf der linken Brust eine Diamantbrosche in Form einer Katze.
»Stört es Sie, wenn ich rauche?« fragte sie, als sie mit ihrem Toast fertig war.
»Ich leiste Ihnen Gesellschaft. Wie lange ist es eigentlich her, daß Sie Rosa Brandt das erstemal interviewt haben? Das heißt, wenn es Ihnen nichts ausmacht, über gestern abend zu sprechen.«
Sie hatte ihre Zigarette angezündet, blies einen Rauchring und sah zu, wie er langsam emporschwebte und sich auflöste. Dann lächelte sie und schüttelte den Kopf.
»Es macht mir überhaupt nichts aus. Unser kleines Abenteuer mit den Herren Martin und Gulliver war nichts Besonderes. Mit so etwas muß man in meinem Beruf rechnen.« Sie runzelte die glatte Stirn. »Das muß jetzt mehr als drei Jahre her sein, seit ich das erstemal versuchte, Walvis zu interviewen, und mit der reizenden Rosa vorliebnehmen mußte.«
»Hat sie sich seither verändert?«
»Kein bißchen. Es war dieselbe Rosa, dieselbe Stimme, dieselben Eigenheiten, sogar dieselbe Aufmachung. Die reinste Wiederholungsvorstellung.« Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Oh, verdammt, hoffentlich hat er mich nicht gesehen, aber er kommt auf uns zu.«
»Wer?«
»Ronald Weatherby …« Sie imitierte einen affektierten Oberklassenakzent. »Er gehört zu der kleinen britischen Kolonie in München. Und ist der größte Langweiler aller Zeiten.«
»Ich glaube, er hat Sie entdeckt. Was tut er – abgesehen davon, daß er ein Langweiler ist?«
»Er hat einen merkwürdigen Job. Er fungiert als Verbindungsmann zwischen den größten Firmen der Welt.
Schlichtet jeden Streit, der zwischen solchen Riesenunternehmen ausbricht. Und verdient dabei, soweit ich weiß, eine Unmenge Geld. Wappnen Sie sich. Hier kommt er …«
»Ah, teuerste Lisa. Ihr Anblick ist ein wundervoller Beginn eines grauen Tages. Ich störe vermutlich, aber es ist endlos her, daß wir uns das letztemal begegnet sind. Darf ich mir erlauben, mich für eine Tasse Kaffee zu Ihnen zu setzen?«
Weatherby war schlank gebaut und hatte ein serviles Wesen und ein einschmeichelndes Lächeln. Seine buschigen Augenbrauen waren sandfarben, ebenso der wirre Haarmop auf seinem Kopf. Seine grauen Augen waren überall zugleich und standen keine Sekunde still, und sein Gesicht erinnerte Newman an einen tückischen Affen. Er leckte sich die dünnen Lippen, während er sich auf einen leeren Stuhl niederließ. Newman fand ihn widerwärtig. Weatherby musterte ihn.
»Und natürlich haben wir überaus erfreuliche Gesellschaft. Mr. Robert Newman, der berühmteste Auslandskorrespondent der Welt. Wie geht es Ihnen, Mr. Newman?«
»Vor ein paar Augenblicken ging es mir noch gut, Weatherby.«
»Ronald. All meine Freunde nennen mich Ronnie. Sie wohnen beide in diesem prachtvollen Hotel?«
»Ja, Weatherby, das tun wir.«
»Ronnie bitte. Ach herje …« Seine Miene wurde auf höhnische Art vertraulich. »Ich glaube, ich habe ein intimes Tete–á–tete gestört.« Sein Verhalten änderte sich abermals, als er sich an den Kellner wendete. »Kaffee. Frisch aufgebrüht. Und ein Kännchen heiße Milch. Haben Sie das notiert?«
Er wendete sich von dem Kellner ab, der nur mit undurchdringlicher Miene nickte.
»Ich muß mich entschuldigen, wenn ich nicht ganz so bin wie gewöhnlich. Beunruhigende Neuigkeiten von verschiedenen
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