Kalte Wut
lange Rede von ihm angehört. Er ist gerissen, verschlagen und sehr gut im Ersinnen von Täuschungsmanövern. Also was hat er jetzt vor? Übrigens, Otto, ich weiß es zu würdigen, daß Sie selbst gekommen sind, statt mich anzurufen.«
»Ich bin zu aufgekratzt, um schlafen zu können, aber der Hauptgrund war, daß es mir nicht sicher erschien, Ihnen das alles am Telefon mitzuteilen. Und jetzt glauben Sie mir nicht einmal.«
»Ich glaube Ihnen alles, was Sie gesagt haben. Der Mann, dem ich nicht glaube und nicht traue, ist Walvis. Ich habe das Gefühl, daß er eine diabolische Falle plant.«
»Was für eine Art von Falle?« fragte Kuhlmann.
»Ich wollte, ich wüßte es. Bitte halten Sie mich über seine Bewegungen auf dem laufenden – falls er sich bewegen sollte.
Wir bleiben vorerst hier. Was mir nicht gefällt, ist, daß der Ball jetzt in seinem Feld ist.«
»Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald er ihn ausspielt.« Kuhlmann stand auf und streckte seine kurzen Arme. »Ich fahre in die Polizeizentrale zurück, Sie können mich dort erreichen. Wenn es sein muß.« Er grinste, um der Bemerkung den Stachel zu nehmen.
»Otto«, rief Tweed, als Philip Kuhlmann zur Tür begleitete.
»Es bleibt doch dabei, daß Sie Rosa Brandt in ein Flugzeug nach London setzen, wenn ich sie brauche?«
»Sie gehört Ihnen, wann immer Sie sie haben wollen.«
»Sie sagten doch, sie hätte eine Wohnung in München ohne Telefon. Wäre es nicht eine gute Idee, diese Wohnung überwachen zu lassen?«
»Daran hatte ich noch gar nicht gedacht – bei allem, was ich sonst noch um die Ohren hatte. Wird veranlaßt, sobald ich zurück bin. Schlafen Sie gut. Ich werde es auch – morgen nacht. Bis dahin dürfte sich einiges getan haben …«
44
Seit Kuhlmanns Abgang waren kaum fünf Minuten vergangen, als abermals an die Tür geklopft wurde. Wieder hielt Philip Paula davon ab, sie zu öffnen, und schloß selbst auf.
Newman, mit verwuscheltem Haar, einem Jackett über dem offenen Hemdkragen und einer verknitterten Hose, kam herein, dichtauf gefolgt von Marier, wie immer makellos gekleidet.
»Ich konnte nicht schlafen«, sagte Newman entschuldigend.
»Und Marier auch nicht. Aber er ist für die Nachtwache gerüstet.«
Marier hatte eine Flasche Brandy in der Hand und ging nun zu dem Schrank, in dem Gläser standen. Er holte zwei Schwenker heraus, dann sah er Paula und Philip an.
»Trinken Sie einen Schluck mit? Hilft beim Wachbleiben. Und es kann sein, daß wir noch Besuch bekommen.«
Paula und Philip schüttelten den Kopf, und Marier goß Brandy in die beiden Gläser. Eines davon reichte er Newman, der in einem Sessel zusammengesackt war.
»Danke«, sagte er. »Wo ist Tweed?« fragte er Paula.
»Nimmt ein wohlverdientes Bad. Vermutlich wird er eine Weile darin liegen bleiben. Wenn ihm ein Problem durch den Kopf geht, hat er immer das Gefühl, daß ein Bad ihm dabei hilft, es zu lösen.«
»Welches Problem?« fragte Newman.
Marier bezog seine übliche Position. Er lehnte sich an die Wand, zündete sich eine King-Size-Zigarette an und nippte an seinem Brandy. Paula konnte einfach nicht begreifen, wie er es schaffte, nach einem anstrengenden Tag noch stundenlang auf den Beinen zu bleiben.
Sie setzte sich neben Philip, trank noch etwas Mineralwasser und lieferte einen exakten Bericht über alles, was während Kuhlmanns Besuch gesprochen worden war. Newman hörte zu und unterbrach sie kein einziges Mal.
Philip schien in eine Art Halbschlaf versunken zu sein, aber sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Er erinnerte sich abermals daran, wie gut Jean darin gewesen war, ihn vor Leuten zu warnen, denen sie mißtraute. Wie hätte sie Lisa Trent und Jill Seiborne eingeschätzt? Sie war im Beurteilen von Frauen ebenso gut gewesen wie in dem von Männern. Gott, ich brauche dich, ich brauche dich aus tausend Gründen, dachte er. Er war so deprimiert, so hilflos, aber ein anderer Teil seines Gehirns stellte sich ihre Reaktion auf Lisa und Jill vor. Nach einer Weile glaubte er zu wissen, vor welcher der beiden Frauen sie ganz besonders auf der Hut gewesen wäre.
Dann fiel ihm die Existenz von Rosa Brandt wieder ein. Das warf seine Überlegungen – Jeans Überlegungen – wieder auf den Nullpunkt zurück. Er kehrte in die reale Welt zurück, als Paula, nachdem sie ihren Bericht über Kuhlmanns Besuch beendet hatte, ihm ein frisches Glas Mineralwasser einschenkte.
»Marier, als Sie hereinkamen, sagten Sie, wir würden vielleicht noch Besuch bekommen.
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