Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten
irgendeinen Sinn hätte. Ob ich überhaupt jemals nach Waly zurückdarf?
MÄDCHEN FÜR ALLES
»Siusiu!« 15
Marek steht vor mir und heischt Aufmerksamkeit. Ich lasse die Kleine vom Schoß gleiten, nehme den Dreijährigen an die Hand und will mit ihm durch den verschneiten Garten zum Plumpsklo gehen.
»Nein, nicht draußen!«, quengelt er.
Das kann ich verstehen. Ich hätte mir zwar gerne das Hinaustragen des Töpfchens erspart, aber es ist wirklich kalt draußen. Ich streife Marek das Höschen herunter und setze ihn auf den Topf.
Teresa, mit knapp zwei Jahren die Mittlere, ist inzwischen quer durch den Raum gerannt und gerade dabei, auf die Bank zu klettern. Ich springe hin, um zu verhindern, dass sie stürzt.
»Nein«, sage ich, »nicht da rauf!«
Teresa protestiert und wehrt sich.
»Fertig!«, ruft es von hinten. Marek ist aufgestanden und kommt auf mich zu. Kopf zwischen die Knie und Po abwischen. Dann Hosen hoch und Träger festmachen: fertig. Das Abwischen mache ich mit einem Lappen, der jeden Abend auf dem Herd ausgekocht und anschließend über Nacht getrocknet wird. Auch das ist, zusammen mit dem Windelwaschen, meine Aufgabe, und nicht gerade die, die ich besonders schätze.
»Nein, Teresa! – Nicht!«, schreie ich laut. Teresa hat gerade das Töpfchen entdeckt und schickt sich an, den frischen Inhalt zu untersuchen. Schnell springe ich hin, um Schlimmeres zu verhindern. Ich nehme sie hoch und setze mich mit ihr auf die Bank.
»Rotznase«, stelle ich fest und nehme, in Ermangelung eines Taschentuchs, einen Zipfel ihrer Bluse. Teresa hasst Naseputzen und dreht und windet sich, aber ich bleibe Sieger. Mit einer sauberen Nase lasse ich sie wieder herunter und schaffe endlich den Topf hinaus.
Dann streiche ich mir den Schweiß von der Stirn!
Das ist meine Hauptaufgabe: auf die Kinder aufpassen. Eigentlich weiß ich ja, wie es mit kleinen Kindern zugeht, weil ich das schon von zu Hause kenne und im letzten Halbjahr mit Janusz geübt habe. Was ich aber nicht wusste, ist, wie schnell die sein können und wie viele Arme man haben müsste, wenn man ganz allein auf drei gleichzeitig zu achten hat. Nachträglich habe ich großen Respekt vor Lisa! Aber die war ja auch schon erwachsen.
Inzwischen habe auch ich meine Methode, und die besteht vor allem darin, großzügig über vieles hinwegzusehen. Das scheint auch nicht zu schaden, denn nie höre ich ein tadelndes Wort von den Eltern.
Der Säugling meldet sich von seinem Lager, auch er liegt auf Stroh, wie alle Kinder. Ich beruhige die Kleine, weil es noch zu früh zum Füttern ist. Dann schaue ich nach dem Ofen, schüre einmal kräftig durch und lege Holz nach. Morgens räume ich immer die Asche aus, und zwar sorgsam getrennt: Die weiße Holzasche wird extra in einem Behälter gesammelt und zum Saubermachen benutzt, die grobe Asche dagegen kommt in eine Tonne und dient zum Streuen, wenn es glatt ist.
Ich hole den Wassertopf und spritze mit der Hand den Lehmboden nass. Das hat mir die Frau gezeigt: So staubt es weniger, wenn man kehrt. Dann schnappe ich mir den Besen und fege aus. Was im Wege liegt, schiebe ich mit dem Fuß beiseite oder fahre wie beim ersten Mal einfach drum herum. Wichtig ist vor allem, unter dem Bett zu kehren, in dem die Eltern schlafen, denn darunter kommt tagsüber Mareks Strohsack. Und dort prüft die Frau immer, ob es auch sauber ist!
Irena hat jetzt die Geduld verloren und schreit wieder, diesmal laut und zornig. Ja, ja! Ich bin noch nicht so weit! Sie bekommt einen Nuckel in den Mund geschoben und ist nun fürs Erste ruhig. Die Nuckel machen wir selber: Sie bestehen aus einem kleinen Stückchen Tuch, in das man ein bisschen Mohnsamen tut und dann abbindet. Anschließend klopft man mit einem Stampfer kräftig darauf, um den Saft aus dem Mohn zu quetschen, denn der hat einen angenehmen Geschmack. Übrigens bekommen auch die beiden anderen den Mohnsauger, wenn sie quengeln. Ich fege schnell noch den Dreck aus der Tür und schließe sie rasch wieder: wegen der Ratten! – Das hat man mir gründlich eingeschärft.
Ich binde die Schürze um, die ich von der Frau bekommen habe. Zu groß! Aber so ist es immer: Wenn ich überhaupt mal etwas kriege, dann passt es fast nie! Irena hat inzwischen den Sauger ausgespuckt und schreit aus Leibeskräften. Jetzt nur noch das Fläschchen aus dem Topf mit heißem Wasser holen, dann kann’s losgehen.
»Ist ja schon gut«, sage ich beruhigend, während ich ihr die Flasche gebe. Es ist einfach
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