Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten
Abend verstecke ich meinen Schatz sorgfältig unter einem Stein, wo er verborgen liegt und ihn gewiss niemand finden kann.
Schwül ist es heute! Mir läuft der Schweiß aus allen Poren, und wenn ich im Bach ein Bad nehme, ist mir gleich hinterher schon wieder warm! Aber jetzt ist die Sonne hinter Wolken verschwunden und im Westen ziehen blauschwarze Wolken auf. Schon grummelt es in der Ferne und ich halte Ausschau nach dem ersten Blitz. Zack! Da war er! – Heute werde ich nass, und wie!
Noch scheint die Luft zu stehen und um mich herum ist es vollkommen still. Die Vögel haben sich verkrochen und schweigen.
Ich treibe die Kühe enger zusammen. Wind kommt auf, ganz plötzlich und in wütenden Böen. Er peitscht die Gräser und legt die Weiden am Ufer schräg, dass ich meine, sie brechen ab. Und jetzt klatschen mir die ersten Tropfen ins Gesicht. Rasch ziehe ich die Jacke über den Kopf wie eine Kapuze. Doch nun geht es erst richtig los: Fast ohne Übergang beginnt es, wie aus Kübeln zu schütten, und krachend fahren die Blitze herab. Ich berge mich hinter Martha, dränge mich an sie, um wenigstens ein bisschen Schutz vor dem alles durchtränkenden Nass zu finden. Viel nützt es nicht, der Regen ist zu dicht. Mir kommt es vor, als wäre um mich herum mehr Wasser als Luft!
Die Kühe scheint das nicht zu stören, sie stehen in dem Unwetter und lassen es unbewegt über sich ergehen. Nicht mal wenn der Donner kracht oder die Blitze zucken, schrecken sie auf. Und den Regen lassen sie einfach abtropfen. Zwar habe auch ich keine Angst mehr vor Gewittern, aber so ruhig bleiben wie meine Kühe, mich einfach in den Regen stellen, egal, wie nass ich werde, das kann ich denn doch nicht. Noch immer stehe ich geduckt neben Martha und warte das Wetter ab. Von Zeit zu Zeit schiele ich über ihren Rücken und schaue, ob der Himmel schon heller wird, aber dann ziehe ich den Kopf ganz schnell wieder ein.
Endlich lässt der Regen nach. Die Sonne kommt wieder hervor und malt einen herrlichen Regenbogen vor das Schwarz der abziehenden Wolkenwand. Ich entdecke sogar zwei, der äußere etwas schwächer als der innere und mit umgekehrter Reihenfolge der Farben. Die Kühe stehen in der Sonne und dampfen. Ich bin klatschnass, trotz Martha. Bis auf die Unterhose ziehe ich mich aus, wringe mein Zeug aus und hänge es ins Gebüsch, dass die Sonne darauf scheint. Bis zum Abend ist es wieder trocken.
Auf dem Heimweg sehe ich ein Eichhörnchen einen Stamm hochflitzen. Es turnt durch die Krone und auf einmal springt es weit durch die Luft in den nächsten Baum, fängt sich dort an einem Ast, der weit durchschwingt, durchquert auch diese Krone und springt in den dritten Baum.
Beim ersten Sprung ist mir fast das Herz stehen geblieben: Wahnsinn! Beim zweiten aber habe ich ganz rasch noch einen Wunsch denken können: »Wenn es auch noch einen dritten schafft, dann komme ich noch dieses Jahr hier weg!« Und es hat es geschafft!
FÜSSE IM FLADEN
Der Sommer ist dem Herbst gewichen. Wenn ich morgens den Dung hinausbefördere, dampft er, und die Kühe blasen auf ihrem Weg auf die Weide Fahnen aus ihren Nasen. Die Sonne strahlt an einem überklaren Himmel, und über dem Land liegt Dunst, der Büsche und Baumgruppen wie Kulissen hintereinander staffelt und sie allmählich im Blau der Ferne verschwimmen lässt. Scharf liegen die lang gewordenen Schatten über dem Land und bringen die sonnenbeschienenen Flächen der Wiesen umso heller zum Leuchten. Jeden Morgen staune ich wieder über das strahlende Grün und die Farbenpracht der Bäume und Sträucher, die das Land mit Gelb und Braun, Rot und Ocker und vielen Zwischentönen überziehen! Oder die Hagebutten, die hell aus den Rosenbüschen glänzen, orangerot mit schwarzen Köpfchen. Manchmal esse ich ein paar davon. Die Kerne muss man vorher herauspulen, die hat Huppe mir früher immer als Juckpulver hinten in den Kragen gesteckt. Aber das Fruchtfleisch schmeckt erfrischend, süß und sauer, und man kann schön darauf herumkauen. Schlehen habe ich auch schon probiert. Die sehen zwar blau und bereift aus wie kleine, runde Pflaumen, aber sie ziehen einem so den Mund zusammen, dass man sie gleich wieder ausspuckt.
Eiskalt ist jetzt das Wasser, wenn ich durch den Bach wate, und ich habe das Gefühl, dass mir fast die Füße abfrieren. Bloß schnell hindurch! Aber im Gras ist es auch nicht besser, denn hier im Schatten der Weiden liegt Reif und der ist mindestens so kalt wie das Wasser im Bach. Schuhe
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