Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten
riecht nach Rauch und heißem Öl. Der Maschinist steht dabei, feuert und schmiert, zieht Hebel und regelt. Zwischendurch schaut er nach den Instrumenten und dann und wann zieht er auch irgendeine Schraube nach.
Die Dreschmaschine funktioniert so: Sie ist über einen Transmissionsriemen mit der Dampfmaschine verbunden und steht im Inneren der Scheune auf der Tenne. Oben ist eine Öffnung, in die vom Hängeboden aus das Getreide hineingeworfen wird. Innendrin passiert dann etwas, was man nicht so genau sehen kann, und unten fällt das ausgedroschene Korn in einen Kasten, der von Zeit zu Zeit geleert werden muss. Hinten wird schließlich das leere Stroh ausgestoßen, das zusammengebunden und wieder auf den Scheunenboden verfrachtet wird, und irgendwo wird auch noch die leere Spreu ausgeblasen.
Der Himmel ist grau und es sieht nach Regen aus. Vielleicht wird es auch schneien, jedenfalls ist mir so kalt in meiner dünnen Jacke, dass ich anfange zu zittern. Der Wind zieht durch die offene Scheune und ich wickle meinen Schal noch fester um mich. Warum, um Himmels willen, fangen die nicht endlich an? Je länger ich hier stehe, desto kälter wird mir. Ich schlendere hinüber zur Dampfmaschine, um wenigstens etwas von ihrer Wärme abzubekommen. Aber nicht einmal das scheint zu helfen!
»Du gehst hinter die Maschine und schaufelst die Spreu zur Seite!«, brüllt der Bauer. Es ist ein Lärm in der Scheune, dass man sein eigenes Wort kaum versteht.
Ich nicke nur und trolle mich nach hinten. Die Schippe in der Hand, warte ich, dass es losgeht.
»Anfangen!«, schreit der Bauer dem Helfer zu, der an der Eingabe steht.
Ich sehe eine Garbe in der Öffnung verschwinden, in der Maschine summt es auf. Dann die nächste Garbe und noch eine und wieder eine, jede Eingabe von einem summenden Geräusch quittiert, einem Dankeschön der Maschine sozusagen.
Allmählich wird die erste Spreu ausgeblasen. Ich warte, bis sich ein Haufen gebildet hat, und befördere ihn an die Trennwand. Aber der Wind pfeift, die Spreu wirbelt hoch und fegt durch die Scheune. Ich schaufle vorsichtiger und langsamer, ein Teil der Spreu fliegt aber trotzdem um mich herum, setzt sich mir in den Kragen, in die Ärmel, dringt durch jede Öffnung meiner Kleider ein und die Grannen von den Roggenähren mit ihren Widerhaken pieken und jucken. Wenn ich mit der Hand hinten in den Kragenausschnitt fahre, um mich zu kratzen, wird es nur noch ärger, weil ich noch mehr der borstigen Dinger hineinbefördere. Schließlich lasse ich es einfach jucken. Dazu staubt es, dass ich in einem fort niesen muss, und von Zeit zu Zeit wische ich mir die Tropfen einfach mit dem Ärmel von der Nase.
Ich friere. Friere trotz der Arbeit. Sobald einmal Pause ist, binde ich den Schal neu und ziehe ihn noch fester. Es hilft wenig. Ich schlinge die Arme um mich und mache mich klein, um so die Kälte wenigstens ein bisschen abzuwehren. Aber der Wind zieht eisig durch die geöffneten Scheunentore und bläst mir alle Wärme aus dem Leib.
Weiter geht es. Eine Schaufel nach der anderen werfe ich beiseite, mechanisch, wie von selbst. Ich denke nichts mehr, sehe nichts mehr. Für mich existieren nur noch die Schaufel, die Spreu und das Blasrohr von der Maschine. Alles, was weiter weg ist, verschwimmt mir in einer Art Schleier. Ich habe das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
Mit Mühe erreiche ich das Ende des Tages, schleppe mich in meinen Stall und lasse mich neben Martha niedersinken. Wenn ich schlucke, tut es im Hals weh. Trotzdem schlafe ich sofort ein.
Irgendwann höre ich noch ein Geschrei und das Wort »melken«, aber ich komme nicht darauf, dass das etwas mit ihr zu tun haben könnte.
Ich wache auf und es ist dunkel. Mein Kopf ist heiß, und innendrin summt irgendetwas, das mich keinen klaren Gedanken fassen lässt. Ich habe keine Ahnung, ob es noch mitten in der Nacht ist oder schon früh am Morgen. Ich entscheide mich für früh am Morgen und will aufstehen. Mein Morgengeschäft erledige ich in der Güllerinne hinter den Kühen, aber selbst das strengt mich an und ich setze mich erst mal wieder hin. Ich lehne mich an Marthas Bauch und mache die Augen zu. Für ein Weilchen schlafe ich sogar wieder ein.
Von lautem Gezeter wache ich auf, draußen scheint es zu dämmern.
»Noch nicht mal ausgemistet! – Los, los!«
Ich schleppe mich zur Mistgabel, aber als ich die erste Ladung auf den Karren befördern will, geht nichts mehr: Ich schaffe es einfach nicht. Die Bäuerin grummelt etwas,
Weitere Kostenlose Bücher