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Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Titel: Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Toporski
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nicht so einfach, ich musste mich erst daran gewöhnen. Aber je öfter ich es machte, desto besser ging es und jetzt klappt es wie eingeübt. Martha ist ganz lieb und bleibt immer ruhig stehen, bis ich fertig bin. Dann streichle ich ihr den Hals und sie leckt meine Hand und fängt wieder an zu grasen. Übrigens bin ich hinterher nicht nur satt, sondern ich freue mich auch noch diebisch, dass ich denen vom Hof wieder eins ausgewischt habe!
    Ich habe viel Zeit hier draußen. Zeit zum Träumen und zum Schauen. Zeit, in der mich keiner anbrüllen oder schlagen kann. Zeit, in der ich mich wohl fühle und in der ich eintauche in meine Wiese. Ich kenne jeden ihrer Bewohner. Die Blumen zum Beispiel: Ich gebe ihnen sogar eigene Namen, falls ich sie nicht schon von früher her kenne. Oder die Schwalben, die manchmal, vor allem wenn es feucht ist, in rasendem Tempo auf mich zuschießen und erst ganz dicht vor mir in scharfer Wendung zur Seite oder nach oben ausweichen. Die Gabelweihe, die so oft über mir am Himmel ihre Kreise dreht und deren zweizipfeliger Schwanz rot leuchtet, wenn die Sonne hindurchscheint. Vögel sind überhaupt meine häufigsten Begleiter: Amseln, Meisen und Finken sowieso. Aber auch die Häher, die mit ihrem »Krätsch-Krätsch« jeden melden, der ihrem Gebüsch zu nahe kommt, und deren bunte Flügelfedern ich sammle und mir anstecke. Oder die Elstern mit ihrem »Schackerack«; ob die wirklich Ringe klauen, wie Mama mir einmal erzählt hat? Am liebsten habe ich die Bachstelzen, die so zierlich mit ihrem Schwanz wippen, wenn sie am Ufer landen. Inzwischen kann ich alle Vogelarten an der Stimme unterscheiden.
    Jetzt habe ich sogar einen Wecker: Jeden Morgen wache ich von dem lauten Gezwitscher der Schwalben auf. Sie haben ihr Nest im Stall und vor ein paar Tagen sind die Kleinen geschlüpft, man kann sie ganz leise piepsen hören, wenn alles still ist. Zu sehen bekommt man von ihnen bis jetzt nicht mehr als die weit aufgerissenen Schnäbel. Die Eltern fliegen mit dem frühesten Sonnenstrahl auf Futtersuche und stecken den hungrigen Schreihälsen unermüdlich ihren Fang in den Rachen. Ich bleibe dann immer noch ein paar Minuten liegen und sehe ihnen zu, bevor ich mich, noch ehe die Bäuerin erscheint, an die Arbeit mache. Wenn sie zum Melken kommt, bin ich mit dem Ausmisten und Einstreuen schon fertig.
    Raus muss ich mit den Kühen bei jedem Wetter, auch bei strömendem Regen. Zum Glück regnet es ja meist nicht den ganzen Tag und irgendwann trocknet mir das Zeug wieder am Leibe. Krank bin ich jedenfalls noch nicht davon geworden!
     
    »Stella, du blöde Kuh!« Ich bin wieder einmal sauer auf meine Leitkuh und muss hinter ihr herschnaufen. »Gehst du da weg!«
    Jeden Morgen der gleiche Ärger: Das Biest hat seine eigenen Vorstellungen, wo es hin will, und jedes Mal versucht es, die auch durchzusetzen.
    »Willst du wohl?« Ich knalle ihr eins zwischen die Hörner und das tut mir richtig gut. Mein Verhältnis zu Stella ist wirklich nicht das allerbeste, genauer gesagt: Es ist durchaus gespannt! Ständig muss ich auf der Hut sein, ob dem Viech nicht wieder einfällt, einen Abstecher zu machen. Und wenn Stella erst einmal einen Weg eingeschlagen hat, trotten alle anderen Kühe hinterher. Besiege ich Stella nicht, verliere ich gegen alle zugleich. Natürlich gewinne ich, das ist nicht die Frage. Aber dass Stella das Spielchen immer aufs Neue ausprobieren muss, dass sie es immer wieder auf diesen Machtkampf anlegt, das ist es, was mich so in Rage bringt.
    »Da geht’s lang!«, befehle ich und bringe die Biester auf den rechten Pfad zurück.
    »Und wehe euch …!« Natürlich ist das eine leere Drohung, aber ich muss mir einfach mal Luft machen.
    Wenn die Tiere erst mal Gras rupfend ihr Mahl einnehmen, lege ich mich in die Wiese und schicke meine Träume und Gedanken auf die Reise. Ich habe viele Träume. Die meisten fallen mir einfach so ein, manche kommen immer wieder. Einer hängt mit dem alten Kinderlied »Kommt ein Vogel geflogen …« zusammen: Der Vogel bringt einen Brief von der Mutter im Schnabel … Manchmal sehe ich das so deutlich vor mir, als ob ich den Vogel fast greifen könnte. Oder die Telegrafenleitung, die sich über mir durch das Blau des Himmels zieht: Wenn man damit Mama ein Telegramm schicken könnte! Einfach einen Zettel an einen der Drähte hängen und der Wind pustet ihn dann hinüber. Natürlich weiß ich, dass das nicht geht, ganz davon abgesehen, wo ich denn wohl einen Zettel

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