Kalteis
schon etwas anderes finden. Etwas Besseres, als bei anderen Leuten Dienst zu tun und für die den Buckel krumm zu machen, findet sich allemal. Nur die Mitzi müsste sie sich anschauen, die hat es auch geschafft, und sie würde es auch packen. Die Mitzi lebt ganz gut von dem Geld ihres Verlobten, dem in Gelsenkirchen. Warum sollte sie das nicht auch versuchen. Hatte der Hans nicht gesagt, was für ein sauberes Mädel sie ist? Die Stadt selbst lockt sie, das süße Leben in der Stadt. Das Flanieren, das Bummeln, die Leute anschauen. Sie würde es packen, da ist sie sich sicher. Und ist sie bisher nicht ganz gut zurechtgekommen? Bisher hatte ihr nichts gefehlt, selbst ohne Arbeit hatte sie genügend zum Essen und einen Platz zum Schlafen. Sie ist jung, das Leben liegt vor ihr. Sie bummelt durch die Stadt. In einem Geschäft in der Innenstadt kauft sie sich einen Lackgürtel. Schwarz ist der. Bindet ihn gleich um ihre Taille. Wie sie es bei den ande ren Mädchen gesehen hat. Bei den Mädchen aus der Stadt. Modern war er. Ihren alten Gürtel, den legt sie in das Handtäschchen. Sieht doch der Neue viel besser aus. Das Geld für den Gürtel, das hat Kathie von dem Blonden bekommen. Nicht dass sie etwas verlangt hätte, das nicht, aber am Morgen, da hat er ihr das Geld zugesteckt, was Schönes kaufen sollte sie sich. Viel ist es nicht gewesen, aber für den schwarzen Gürtel und eine Brotzeit hat es gereicht. Und Kathie war zufrieden damit.
Am Abend geht sie wieder zum Soller ins Tal. Kennt sie dort doch schon fast einen jeden. Der Sollerhändler, der »hupfert« Anton, der mit seinem Bauchladen jeden Abend beim Soller seine Runden dreht, der macht ihr wieder schöne Augen. »Da kommt ja unsere hübsche Kathie. Meinst nicht, wir würden gut zusammenpassen, du und ich?«, ruft er ihr gleich zu, wie sie bei der Tür herein ist, und dabei zwinkert er mit seinem Auge und einen Kussmund macht er. Kathie lacht ihn aus. »Ach geh! Du bist mir doch viel zu alt«, sagt sie zu ihm. Hinken tust und ein Glasauge hast außerdem, und mit deinen Schnürsenkeln da bist ein rechter Hungerleider, wollte sie noch sagen, aber getraut hat sie sich dann doch nicht.
Mitzi ist da mit dem schwarzen Hans, und sie setzt sich dazu. Anna schaut nur kurz vorbei an diesem Abend. Aber es ist auch ohne Anna lustig, nur mit dem Hans und der Mitzi. Der Hans, der ist es dann auch, der der Kathie vorschlägt, sie könnte heute ja bei der Mitzi schlafen, weil doch der Blonde nicht gekommen ist und Kathie sonst keinen Platz hätte. Ihr war das Angebot nur recht, gar nicht lange hat sie überlegen müssen, und so ist sie mit den beiden zum Mariahilfplatz. Kurz vor der Sperrstunde sind sie vom Soller weg. Wie sie die Wohnung aufsperren, da liegt auf dem Kanapee in der Küche schon die Anna. Einen festen Schlaf hat Anna, da kann Kathie rütteln, so viel sie will, Anna schläft weiter. So geht sie halt mit ins Schlafzimmer. In der Besucherritze liegt sie, zwischen dem schwarzen Hans und der Mitzi. Mitten in der Nacht, da streckt der Hans dann seine Hand nach Kathie aus und sie, sie schubst sie nicht weg. Sagt nichts, rührt sich nicht, liegt einfach nur da. Nur still da. Mit seiner Hand streicht er über ihren Körper.
*
Das, dass sie so still daliegt, die Kathie, ist später auch dem Chauffeur aufgefallen. Dem Chauffeur, den sie am Mittwochabend beim Soller kennenlernt.
Am Nachbartisch sitzt er. Schaut immerzu hinüber zu dem Mädchen, das zwischen dem schwarzen Hans und der Mitzi sitzt. Mit am Tisch ist noch ein Blonder, mit dem Rücken zum Chauffeur.
Das Mädchen sieht ständig zu ihm herüber und er, er lächelt zurück. Prostet ihr zu. Lässt sie nicht aus den Augen. Sie hat dunkle, lange Haare. Zu einem Zopf geflochten. Ein rundes Mädchengesicht mit rosigen Backen und die Augen kugelrund und dunkel. Der Mund groß, mit kräftigen Lippen. Sie hat ihm gleich gefallen, wie er sie am Nachbartisch hat sitzen sehen.
Irgendwann steht sie dann auf an diesem Abend und geht in Richtung Tür. Kurz davor dreht sie sich zu ihm um. Es kommt ihm vor, als lächle sie ihn an, nur ihn. Mit ihren vollen Lippen und den braunen Augen. Gibt ihm ein Zeichen, ein kleines Nicken, kaum sichtbar. Nachkommen soll er.
Er trinkt noch einmal von seinem Bier und geht dann nach draußen. Dort wartet sie schon auf ihn. Er fühlt sich unsicher, weiß kaum, wie er sie ansprechen soll. Schließlich fragt er sie, ob der Herr an ihrem Tisch, der Blonde, zu ihr gehöre? »Nein,
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