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Kalteis

Kalteis

Titel: Kalteis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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Fenster wollte sie schließen, jene Fenster, die nach Germering liegen. Ein milder Sommerabend war es gewesen. So hatte sie es sich anders überlegt und die Fenster nicht gleich geschlossen. Sie hat sich auf die Fensterbank gelehnt, in die Nacht hinausgesehen.  Von diesem Fenster aus konnte man die Staatsstraße ein sehen, wie sie dem Polizeiwachtmeister mitteilte. An die zwanzig Autos wird sie gesehen haben, als sie aus dem Fenster hinausschaute. Nein, mitgezählt hatte sie nicht, aber nach ihrer Schätzung dürften es schon an die zwanzig gewesen sein.
    Lange ist sie nicht am Fenster gelehnt, nur circa fünf Minuten, vielleicht etwas länger. Da war sie sich sicher. Gerade als sie die Fenster schließen wollte, da hörte sie dieses Schreien.
    Ein kräftiges Schreien und Stöhnen einer Frauenstimme. Und gleich danach hat eben diese Stimme angefangen, ein Vaterunser zu beten.  Mit dem Vaterunser, da war sie sich sicher. Konnte sie doch die Anfangsworte des Gebetes klar und deutlich hören. »Vater unser, der du bist im Himmel ...« Laut war die Stimme gewesen. Und das Gebet war ja auch der Grund dafür, warum sie innehielt und hinauslauschte in die Nacht.
    Danach nahm sie aber nur noch Bruchstücke des Gebetes wahr, »geheiligt ... dein Name«, die Stimme ist immer leiser geworden, »im Himmel ... Erden ...« Und von den Geräuschen der auf der Staatsstraße fahrenden Kraftfahrzeuge fast übertönt worden: »Wille geschehe ...« Bis sie sich ganz verlor ...
    Eine Zeit ist sie dann noch am Fenster stehen geblieben. Hinausgelauscht in die Nacht hatte sie, aber nichts mehr gehört. Nur den Verkehr auf der nahen Staatsstraße, sonst nichts. Daraufhin hat sie die Fenster geschlossen und ist hinuntergegangen ins Erdgeschoss. Eine ganze Weile hat sie an das Schreien und Stöhnen denken müssen, nicht erklären konnte sie es sich.  Vergaß es aber dann doch über ihren Vorbereitungen, die sie in der Küche noch für den anderen Tag zu erledigen hatte. Als sie schließlich eine dreiviertel Stunde später zu Bett ging, da dachte sie schon gar nicht mehr daran.
    Am anderen Morgen in der Früh erfuhr sie von dem Mord, noch vor der Frühmesse war es. Der Mesner erzählte ihr davon, oder waren es die Frauen aus der Gemeinde gewesen? Sie ist sich da nicht mehr sicher, denn die ganze Ortschaft war in Aufregung. Und da ist es ihr dann auch wieder in den Sinn gekommen, das Schreien und Stöhnen und das »Vater unser«.
    Zum Pfarrer ist sie daraufhin gegangen und erzählt hat sie ihm davon, und er meinte, sie müsse ihre Beobachtung unbedingt der Polizei mitteilen. Etwas gesträubt hatte sie sich noch, wollte sie doch nicht in etwas verwickelt werden. Aber der Herr Pfarrer hatte gemeint, es sei ihre Pflicht, zur Polizei zu gehen und zu erzählen, was sie gehört habe. Sie sei doch eine aufrechte Christin und könne so womöglich der armen Seele dieses Mädchens helfen, wenn sie dazu beitrage, den Schuldigen zu finden.
    Das ist auch der Grund, warum sie nun hier auf der Gendarmerie sitze und dies alles zu Protokoll gebe.
    (Fortsetzung der Vernehmung Josef Kalteis)
Natürlich habe ich von dem Mord an der Herta gehört, und gekannt habe ich die Herta auch.
Mit ihrem Bruder, dem Franz, da war ich im gleichen Turnverein.
Dem Turnverein Eichenau.
Bei den Turnern bin ich nicht mehr so aktiv. Aber zum Stammtisch gehe ich noch regelmäßig. Immer am Freitag.
Ab und zu hob ich die Herta auch gesehen. Eine rassige Schwarze war das. Die hätte einem schon gefallen können.
Das mit dem Mord, was mit der passiert ist, hat ein jeder gewusst. Wie ein Lauffeuer ist das durch die Gemeinde.
Aufgehängt gehört so einer, der das tut. An seinem Sackl aufhängen würd ich den und den Belli ab. Zack!
Kurzer Prozess.
Ist schon schlimm, kurz vor der Hochzeit, hob ich gehört, ist die gestanden. Mit einem von der SA soll sie gegangen sein.

Dienstag und Mittwoch
    Der Dienstag verstreicht wi e der Montag. Tagsüber läuft Ka thie durch die Stadt. Einen kurzen Augenblick spielt sie mit dem Gedanken, sich doch noch eine Stelle als Dienstmädchen zu suchen. War sie zu voreilig gewesen, den Zettel in der Tasche zu zerknüllen? Soll sie nachfragen beim Arbeitsamt, sich erkundigen, wo sie doch noch etwas finden könnte? Aber sie lässt es dann doch bleiben. Was könnte sie auch machen, zu den Hotels und Pensionen gehen, fragen, ob sie ein Zimmermädchen oder ein Dienstmädchen suchen? Aber nein, Dienstmädchen will sie nicht werden, will sie nicht sein. Sie würde

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