Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kalter Amok

Titel: Kalter Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David L. Lindsay
Vom Netzwerk:
die Riffelungen des Steins unterstrichen. Es war in gewisser Weise beruhigend zu sehen, daß Konzepte einer solchen Größenordnung nach Plan fertiggestellt werden konnten. Ein beeindruckender Anblick, auch nach den Maßstäben von Houston, und man konnte leicht begreifen, daß mehr als vierzig Institute für angewandte Medizin und medizinische Forschung in dieser steinernen Viertelmeile untergebracht waren und der Welt ihre kollektiven Fähigkeiten, ihren Einfluß, ihre Macht und ihre Hoffnung anboten.
    Haydon bog von der Fannin Street am Eingang der medizinischen Institute der Universität von Texas ab und fuhr durch die überdachte Einfahrt hinüber zum Sterling Circle und zum siebenstöckigen Parkhaus Nummer 4. Er hatte Glück und fand einen Parkplatz in der untersten Etage. Studenten strömten durch den Hintereingang der medizinischen Lehrstätte, blieben kurz stehen, um ein paar Worte mit einem Kollegen zu wechseln, wie Ameisen, die ihre Fühler berührten und dann weiterliefen. Die jüngeren unter ihnen trugen die üblichen Rucksäcke aus buntem Nylon und ausgebleichte Jeans, als ob sie beweisen wollten, daß so etwas selbst bei der medizinischen Fakultät der Universität möglich war. Sie kamen Haydon unglaublich jung vor. Die älteren standen weniger herum; sie trugen weiße Kittel über einfachen Baumwollhosen oder Röcken und schienen sich bewußt zu sein, daß das, was sie trieben, eine ernste Angelegenheit war.
    Haydon betrat das Gebäude durch den Hintereingang, ging an der langen Reihe von Briefkästen entlang und kam dann in das gedämpfte Licht der großen Halle. Er umrundete die Pförtnerloge, die im Teich eines riesigen, ingwerfarbenen Teppichs stand, der von modernen Sitzgruppen aus poliertem Leder umgeben war, und kam in die Verwaltung. Als er Morton am Vormittag angerufen hatte, war ihm gesagt worden, er solle sich bei seiner Ankunft im Büro melden; von dort aus würde man ihn benachrichtigen, ob Morton sich in diesem Gebäude oder im Hermann-Hospital befand. Nach mehreren Anrufen in beiden Gebäuden stellte die Sekretärin fest, daß er sich in einem Hörsaal im vierten Stock aufhielt. Er bitte Haydon, ihn dort zu besuchen, da er gerade eine Vorlesung beendet habe und in einer halben Stunde eine weitere im selben Hörsaal geben müsse.
    Als Haydon die glänzende Nußbaumtür aufstieß, die in das Auditorium führte, stellte er fest, daß er sich im obersten Rang eines hellen, halbrunden Amphitheaters befand. Dr. Morton, der die Tür gehört hatte, blickte hoch von seinem Gespräch mit einem jungen Mädchen, nickte und fuhr dann damit fort, während Haydon durch den Mittelgang nach unten ging, vorbei an den Reihen von Sitzen. Als er unten angekommen war, sagte Dr. Morton noch ein paar abschließende Worte zu dem Mädchen, das ihm dankte und dann mit gefurchter Stirn an Haydon vorüberkam.
    Haydon stellte sich vor, und Morton streckte ihm die Hand entgegen. Ein kleiner Mann Mitte Fünfzig, eine Brille auf der kräftigen Nase, durch die er Haydon aus Augen mit schweren Lidern betrachtete. Er strömte nicht gerade große Begeisterung aus, aber Haydon fühlte, daß Dr. Morton ein gütiger Mensch sein mußte. Sein weißer Medizinermantel war gestärkt, und in der Tasche steckte nur ein Satz Kugelschreiber.
    »Tropische Parasiten«, sagte er mit leiser, angenehmer Stimme, die, wie Haydon vermutete, selbst bei Aufregung nur um wenige Dezibels lauter wurde. »Damit haben die Studenten von Anfang an Schwierigkeiten. Es sind wirklich mißgünstige Organismen, und sie werden dieser jungen Dame noch Ärger machen, wenn sie schon längst eine erfahrene Ärztin ist.«
    Er kam um den Labortisch herum, an dem er seine Vorlesung gehalten hatte, und die beiden Männer gingen zur ersten Reihe von Pulten und setzten sich. Dr. Morton nahm seine Brille ab, um sich die Augen zu reiben, die ungeschützt noch bekümmerter wirkten. Dann setzte er sich die Brille wieder auf und schaute Haydon an.
    »Haben Sie irgendwelche Fragen? Am Telefon waren Sie leider ziemlich vage.«
    »Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen über einen Ihrer Studenten. Rafael Guimaraes.«
    »Gut. Steckt er in Schwierigkeiten?«
    »Wir hoffen nicht. Aber ich werde es Ihnen nachher gern erklären.«
    »Was wollen Sie von mir wissen?«
    »Zunächst Ihren allgemeinen Eindruck.«
    Morton kam ohne Umschweife zur Sache. »Ein brillanter Student. Hohe Leistungen, mit einem echten Talent auf dem Gebiet, das er sich ausgesucht hat. Die Virologie. Ich

Weitere Kostenlose Bücher