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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David L. Lindsay
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Zukunft fühlte ich mich verpflichtet, Sie über diese Entwicklung zu informieren, und Ihnen zu eröffnen, daß er im Mittelpunkt einer intensiven Untersuchung der Mordkommission steht. Darüber hinaus hoffte ich, daß Sie wegen Ihrer beruflichen Beziehungen zu Guimaraes seine Neigungen und Gewohnheiten kennen und mir etwas darüber sagen können, was Sie ja teilweise bereits getan haben. Ich hatte gehofft, daß Ihre Beobachtungen unserer Waagschale ein gewisses Gewicht geben könnte. Je mehr wir über ihn wissen, desto größer sind unsere Chancen, auf etwas Substantielles zu stoßen.«
    Dr. Morton hörte aufmerksam zu und nickte dann. »Sie wissen«, sagte er nachdenklich, »auch wenn es zum Glück nicht oft vorkommt, so gibt es doch hier und da diese Jekyll-und-Hyde-Persönlichkeiten unter den Kollegen. Ich nehme an, Ärzte, Geistliche – und Detektive begegnen dem Mr. Hyde im Menschen viel häufiger als andere. Dennoch bin ich immer wieder betroffen über solche Entdeckungen. Tief im Unterbewußten trägt man ein Verlangen, daß die Menschen so sind, wie sie sich auch nach außen geben. Ich nehme an, das ist ein primitives Verlangen wie die Sehnsucht nach einem Paradies auf Erden. Es hat keinen Platz in der Wirklichkeit, aber es bleibt lebendig in der Hoffnung und in den Träumen.« Morton lächelte jetzt beinahe. »Das ist ein Eingeständnis der Schwäche. Etwas Unverzeihliches in unserem Beruf.«
    Er stand langsam auf und rammte beide Hände tief in die Taschen seines weißen Mantels. Mit gesenktem Haupt, den Blick auf den Boden gerichtet, ging Dr. Morton gemächlich zur Hinterseite des Labortischs und kam zurück mit seinem Sessel. Er stellte ihn seitlich von Haydon auf und setzte sich.
    »Rafael Guimaraes ist wahrscheinlich noch merkwürdiger als Sie es sich gedacht haben«, sagte Morton. Damit hatte Haydon nun gar nicht gerechnet. »Die Gemeinschaft der Mediziner im allgemeinen und speziell diese Gemeinschaft fordert von ihren Mitgliedern ersichtliche Integrität, genau wie die CIA. Um so mehr bei Persönlichkeiten, die sich in unserem Beruf an die Spitze arbeiten und die, ob es uns gefällt oder nicht, zu Aushängeschildern für die Öffentlichkeit werden. Es ist Ihnen sicher aufgefallen, daß ich ›ersichtliche Integrität‹ sagte. Ein derartiger Druck hat oft den unglücklichen Effekt, zwei verschiedene Individuen in einem entstehen zu lassen – den verstopften Moralisten und den echten Heuchler. Er kann sogar das Jekyll-und-Hyde-Syndrom entstehen lassen, das ich vorhin erwähnte.
    An medizinischen Hochschulen sind die Professoren immer darauf bedacht, besonders begabten Studenten den Weg zu zeigen; auf diese Weise fallen auf sie ein paar Schnuppen ab von den Sternen des Ruhms, die sich diese jungen Männer und Frauen auf dem Weg nach oben erwerben. Bei Rafael war schon von Anfang an klar, daß es sich um einen Studenten mit seltenen Fähigkeiten handelte, und es gab tatsächlich einen Wettlauf zwischen den einzelnen Professoren, wer von ihnen sein Förderer werden sollte. Ich hatte mich nicht besonders beworben, hatte zu der Zeit ein paar sehr gute Leute, die mit mir zusammenarbeiteten. Aber die Virologie war seine Leidenschaft, und er fragte mich, ob er mit mir über Mikrobiologie arbeiten könne. Bis ich diese erwähnten Geldmittel zur Verfügung gestellt bekam, hatte ich das Programm klinischer Infektionskrankheiten geleitet, und ich widmete mich diesem speziellen Forschungsgebiet. Ich hatte einen umfangreichen Stab von Mitarbeitern, aber Rafael war eben etwas Besonderes, und daher habe ich auch noch für ihn einen Platz geschaffen.
    Ein weiterer Faktor, der Rafael für die Professoren attraktiv erscheinen ließ, war sein Reichtum. Sein Onkel war bekannt dafür, daß er Millionen an medizinische Forschungsprojekte vergab und auch privat mehrere Stiftungen unterstützte. Er ist, um es gleich zu sagen, nicht die Quelle meiner Forschungsmittel. Aber das alles soll zeigen, daß der Mantel der Achtbarkeit bereits auf Rafael gefallen war, als er zu mir kam, und er war eine Erwerbung, um die ich beneidet wurde.«
    »Aber er erwies sich nicht als das, was er schien?«
    »Das stimmt. Ich war vorhin nicht völlig aufrichtig mit Ihnen, als ich sagte, daß mir keine bestimmten persönlichen Eigenschaften an ihm aufgefallen seien. Ich bemerkte gleich von Anfang an an ihm etwas – Merkwürdiges. Allerdings konnte ich nicht gleich den Finger darauf legen. Er führte seine Untersuchungen rasch und gründlich

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