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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David L. Lindsay
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seiner Bibliothek, umgeben vom kollektiven Wissen ihrer beiden Berufe, hatten sie sich viele Nächte lang miteinander unterhalten, und in ihren Gesprächen war es oft bis an den Rand dessen gegangen, was sie wußten, und weit darüber hinaus – bis an die Grenzen von Theorie und Vermutungen.
    Haydon vermißte ihn. Mehr als gleich nach seinem Tod und mehr, als er sich das jemals hätte träumen lassen.

8
     
    Copa war ein kleiner Klub einen Block von der North Main Street entfernt, da, wo sie durch das sich ausbreitende lateinamerikanische Viertel nördlich des Zentrums verlief. Die weiße Gipsfassade wurde bis auf die grüne Neonschrift von einem Vorgarten kaschiert, der an der Straße lag und von Bananenstauden und großen, fächerförmigen Palmettos fast erstickte. Haydon parkte am Randstein und bahnte sich dann einen Weg durch den üppigen Dschungel zu der grünlackierten Tür des Klubs.
    Drinnen blieb er an der Tür stehen und wartete, bis sich seine Augen an das grünliche Dämmerlicht gewöhnt hatten. Es gab ungefähr zwei Dutzend Tische mit Holzstühlen und Kerzen, die unter grünen Glaskugeln brannten, welche auf Kokosnußschalen steckten. In der Mitte des Raumes befand sich eine kleine, leere Tanzfläche. An ihrem Rand saß ein magerer junger Bursche in einem dunklen Anzug an einem Flügel und spielte launische Interpretationen von Barry-Manilow-Hits für ein verstreut herumsitzendes, desinteressiertes Publikum.
    Haydon ging an die mit Bambus verkleidete Bar und bestellte sich Scotch mit Wasser. Der Barkeeper, ein kleiner, untersetzter Mann Ende Dreißig mit schütterem, schwarzem Haar und dunklen Rändern um die Augen, bereitete Haydons Drink mit gelangweilter Tüchtigkeit zu. Als er das Glas auf die Theke stellte, gab Haydon ihm einen Fünf-Dollar-Schein und beobachtete, wie er sich um das Wechselgeld bemühte.
    »Ich dachte, es gibt hier lateinamerikanische Musik«, bemerkte Haydon.
    »Täglich außer Dienstag«, sagte der Barkeeper verdrossen. »Am Dienstag ist hier normalerweise nicht viel los – wie Sie sehen.« Er deutete auf die Tische. »Also lassen wir diesen Burschen einfach dahinklimpern, was ihm Spaß macht. Lateinamerikanische Bands sind teuer. Der hier macht es praktisch umsonst.«
    Haydon nippte an seinem Scotch. Zuviel Wasser. Der Barkeeper ging ans andere Ende der Theke und mixte drei Drinks – etwas mit Grenadine, einen Screwdriver und etwas mit Gin – für eine ungeduldige Kellnerin, deren Netzstrümpfe an den Oberschenkeln herunterhingen. Sie war hager und busenlos, mit den Nasenlöchern einer chronischen Kokainschnupferin.
    Als der Barkeeper die Drinks fertig hatte, kam er zurück zu Haydon mit einer Handvoll Limonen, die er in Scheiben schnitt und in ein Glas mit gehacktem Eis gab.
    »Wissen Sie, wo ich Larry Shaver finden kann?« fragte Haydon.
    »Wer will das wissen?« erwiderte der Barkeeper. Er stemmte beide Hände mit gestreckten Armen auf die Theke und seufzte.
    Haydon zog seine Dienstmarke hervor. Der Barkeeper beugte sich hinunter, schaute sie an, erkannte, was es war, und riß den Kopf angeekelt zur Seite.
    »Was, zum Teufel, soll Larry angestellt haben?«
    »Nichts. Ich möchte mich mit ihm über jemand anders unterhalten.«
    »Und was hat dieser andere Jemand angestellt?«
    »Ist er hier?«
    Der Barkeeper musterte Haydon. »Sie ziehen sich nicht wie ein Bulle an.«
    Haydon streckte ihm die Handflächen entgegen, als wollte er um Nachsicht dafür bitten.
    »Okay. Ich bin es selbst.«
    Haydons Lächeln zeigte, daß es Shaver nicht gelungen war, ihn hereinzulegen, und Shaver zeigte einen Ausdruck gelangweilter Herablassung.
    »Kennen Sie Sally Steen?« fragte Haydon.
    »Natürlich.«
    »Haben Sie sie in letzter Zeit gesehen?«
    »Vor zwei oder drei Abenden.«
    »Wo?«
    »Hier.«
    »Wissen Sie genau, was das für ein Abend war?«
    »Vielleicht. Worum geht’s?«
    »Man hat sie heute morgen gefunden. Sie lag in der Buffalo Bayou.«
    Shaver riß die Augen auf, und sein Kopf schnellte nach vorn, fragend und erschreckt zugleich. Haydon fand, daß Shavers Reaktion echt war.
    »Tot?«
    »Wir wissen nicht, ob es sich dabei um einen Mord handelt. Aber das wird überprüft.«
    Shaver schluckte. »Sind Sie sicher, daß es Sally ist?«
    Haydon nickte und trank einen Schluck von seinem verwässerten Scotch.
    »Das ist doch nicht zu fassen!« sagte Shaver zu Haydon, als ob dieser seine Skepsis teilen müßte. Er nahm eine Packung Zigaretten aus seiner Hemdtasche und zündete sich eine

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