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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David L. Lindsay
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sagte Shaver gepreßt. Seine Stirn furchte sich nachdenklich; er wischte die längst saubere Theke mit einem feuchten Lappen, den er in der Hand hatte. Er war wütend darüber, daß die Steen ihre Teilhaberschaft so freigiebig angeboten hatte wie ihren Körper.
    »Kennen Sie Judith Croft?« Haydon brachte ihn in die Gegenwart zurück.
    »Ja.«
    »Und?«
    »Ich weiß nur, daß sie manchmal mit Sally hier war.«
    »In das ›Broken Spoke‹ ist sie nie gekommen?«
    »Ja, doch, dorthin auch.«
    »Waren sie eng befreundet?«
    »Ja, ich glaube. Sie waren ein gutes Paar.«
    »Sind Sie schon mal im Haus der Steen gewesen?«
    »Ich weiß nicht mal, wo sie wohnt. Hören Sie, ich möchte eines klarstellen: So gut kannte ich sie auch wieder nicht. Nur durch die Klubs, Sie verstehen. Durch ihren Beruf ist sie viel herumgekommen. Okay, ich hab’s ein paarmal mit ihr getrieben, damals, in meiner Muskelmann-Zeit. Umsonst, möchte ich hinzufügen. Ich hätte es mir nicht leisten können, sie zu bezahlen. Sie hat mich gemocht, aber es hat nicht lange gedauert, war nur eine kurze Freundschaft – ein paar Monate. Seitdem ist es eine reine Bekanntschaft, eine Beziehung über den Tresen. Und die geschäftliche Beziehung – aber das wissen Sie ja schon. Das ist alles. Sie hatte haufenweise Geld, also brauchte ich mir nichts zu denken, als ich ihr Angebot angenommen habe. Und das ist alles. Ehrlich.«
    Die Barry-Manilow-Songs gingen Haydon allmählich auf die Nerven. Es war ohnehin Zeit zum Gehen: Shaver hatte sein Pulver verschossen.
    »Kann ich eine von den Limonenscheiben haben?« fragte Haydon.
    »Wie?«
    »Limonenscheiben. Kann ich eine haben?«
    »Klar. Eine Limonenscheibe«, sagte Shaver. Er stach mit seinem Barmesser in eine Scheibe und streckte sie dann Haydon hin, der sie mit spitzen Fingern vom Messer nahm und zugleich vom Hocker rutschte. Dann preßte er ein paar Tropfen von dem Saft in den Mund.
    »Ich bin Ihnen für Ihre Hilfe dankbar«, sagte er.
    »He, hören Sie«, Shaver streckte die Hand aus und legte sie auf Haydons Arm. »Wird das mein Geschäft berühren?«
    »Ich glaube kaum. Ich nehme zumindest an. Sallys Anwalt wird sich demnächst bei Ihnen melden.«
    »Ihr Anwalt?«
    »Der Nachlaß muß geregelt werden.«
    Shaver zog wieder den Kopf ein und schüttelte ihn, als könnte er seinem Glück noch nicht trauen. »Das kostet mich bestimmt eine Menge Gebühren oder so. Verdammt. Ein Ärger mehr. Bei diesem Geschäft kommt man wirklich nie raus aus der Scheiße. Ihr Anwalt. Mein Gott! Jedesmal, wenn ich einem Anwalt auch nur auf zehn Meter in die Nähe komme, muß ich blechen.«
    Haydon ging auf die Tür zu und war schon fast dort, als ihm Shaver nachrief: »He, hören Sie!«
    Haydon blieb stehen und drehte sich um.
    Shaver verdrehte seltsam die Schultern und trat von einem Fuß auf den anderen. »Tut mir leid, daß sie tot ist, und so weiter. Es ist wirklich schade. Sie verstehen?«
    Haydon nickte und ging dann hinaus in die heiße, feuchte Luft des Abends.

9
     
    Sie saßen nebeneinander in der warmen, purpurnen Nacht, tranken Gin mit Zitronensaft auf etwas Eis und hatten die Beine ausgestreckt und auf das Geländer der Terrasse gelegt. Haydon lehnte seinen nackten Rücken an das kühle Gitter des schmiedeeisernen Stuhls und betrachtete den rötlichen Widerschein der Nacht auf den weiten, weißen, mexikanischen calzones, die er statt eines Pyjamas anhatte. Ninas nackte Beine waren dunkler und hoben sich deutlich vom Rand des perlweißen Seidenhemds ab, das nur knapp die Schatten ihres Schoßes verbarg.
    »Ich habe nicht gedacht, daß du vor zwölf heimkommst«, sagte sie. »Ein Punkt für dich.« Sie drückte seine Hand.
    »Ich habe es auch nur mit Mühe geschafft.«
    »Mit Mühe ist gut genug für mich«, sagte sie, streckte ihr Bein aus und legte es quer über das seine, rieb dann die Innenseite seines Fußes mit den Zehenspitzen.
    Es tat ihm gut. Manchmal, im Bett, wenn sie sich erschöpft hatten, schliefen sie, während sie die Innenseite seines Fußes mit den Zehenspitzen rieb, in dieser Stellung ein. Es war, fand er, eine einfache, aber unverwechselbare und von Herzen kommende Geste zwischen Menschen, die einander brauchten.
    Das schwache, weit entfernte Summen der Stadt wurde durch die Bäume und Hecken gedämpft, die das Grundstück umgaben, und ging beinahe unter im rhythmischen Zirpen der Grillen im Gras. Glühwürmchen schaukelten wie die Laternen kleiner Boote über ihnen in den Zitronenbäumen.
    Haydon

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