Kalter Amok
davon an. »Nun ja, ich kann genauer angeben, wann sie zuletzt hiergewesen ist. Es war – äh – am Samstagabend. Ja, vor drei Tagen.«
»Früh oder später?«
»Früh. Halb elf.«
»War sie in Begleitung?«
»Nein. Sie ist allein hergekommen und allein wieder gegangen. Als sie hier war, hat sie bei ein paar Leuten gesessen. Lauter unterschiedliche Typen. Sie war… Na ja, sie versuchte, jemanden aufzutreiben.« Gleich danach schien er zu bedauern, das Wort ausgesprochen zu haben.
»Sie besitzt Anteile an diesem Klub, nicht wahr?«
Shaver verengte die Augen und legte den Kopf argwöhnisch zur Seite.
»Sie ist tot«, sagte Haydon, »und wir wissen nicht, warum. Daher müssen wir alles überprüfen.«
»Okay, ja, das verstehe ich«, erwiderte Shaver unsicher. »Sie besaß zehn Prozent.«
»Und wie kommt das?«
Shaver zog an seiner Zigarette. »Ich kenne Sally noch von der Zeit, als ich einen – anderen Laden gehabt habe, draußen am Golf-Schnellweg. Das Geschäft ist gut gegangen, bis dieser verdammte Travolta-Film rausgekommen ist. Das hat damals alles verändert. Die Leute haben lauter Nachtklub- Scheunen gebaut. Und was haben sie reingestellt? Mechanische Stiere! Sechzig Quadratmeter, fünfhundert Tische! Zwei Bands, die gleichzeitig spielten. Scheiße. Das Ganze ist zu einem einzigen Karneval geworden. Mein Laden war klein, und die Großen haben mich ausgestochen wie ein Mauerblümchen.«
Er schüttelte den Kopf und dachte darüber nach. Es schien ihn noch immer zu wurmen.
»Und das Dümmste ist, daß diese neuen Schuppen auch schon im Sterben liegen«, sagte er. »Eine vorübergehende Narretei. Wird sich nicht halten. In dem Geschäft muß man immer auf Draht sein. Wer erinnert sich heute noch an Discos? Ich brauche etwas, was danach auch noch zieht. Lateinamerika, ja, das wird ganz groß. Ich meine, richtig groß.«
Haydon schaute ihn verständnislos an, bis Shaver das Schweigen brach.
»O ja, sicher, Sally. Na ja, sie kam immer ins ›Broken Spoke‹. Das war mein Laden. Sie hat gemerkt, daß ich Schwierigkeiten hatte, und hat mir was angeboten, damit ich den Laden wieder zum Laufen bringe. Aber es war zu spät. Als ich das ›Copa‹ eröffnete, brauchte ich etwas Kapital, und ich erinnerte mich an ihr Angebot. Ich rief sie an und bot ihr zehn Prozent für eine kleine Finanzspritze.«
Haydon trank aus, und Shaver langte nach dem Glas.
»Nein, danke«, sagte Haydon. »Außer Ihnen und Sally gibt es noch zwei Geschäftspartner, nicht wahr?«
»Zwei, ja. Geschäftsleute. Beide sind mit fünfzehn Prozent beteiligt.«
»Dann gehören Ihnen sechzig Prozent?«
Shaver nickte.
»Seit wann kennen Sie Sally?«
»Schon lange.«
Haydon schaute ihn wieder fragend an.
»Okay. Seit – mal nachrechnen – seit Sechsundsechzig. Damals hatte sie in Hotels gearbeitet. In den guten. Ich trainierte in einem Studio, wollte Gewichtheber werden. Ich weiß, heute sieht man das nicht mehr, aber damals dachten einige Leute, ich hätte das Zeug dazu. Sie hat auch dort trainiert. Scheiße, man kann es ja sagen: Sally und ich haben damals viel besser ausgesehen.«
»Kennen Sie jemanden, mit dem sie über Kreuz gewesen ist? Jemanden, der sie umlegen wollte oder es getan haben könnte?«
»Nee, Scheiße. Keine Ahnung. Ich meine, bei ihrem Beruf – «
Jetzt nickte Haydon. »Und was ist mit Sallys anderen geschäftlichen Interessen? Wissen Sie etwas über die beiden anderen Klubs, von denen sie Anteile besaß.«
»Was?«
»Die beiden anderen lateinamerikanischen Klubs.«
»Sie hat Anteile bei zwei anderen Klubs?«
»Haben Sie das nicht gewußt?«
»Verdammt, nein, ich hatte keine Ahnung davon«, antwortete Shaver indigniert, als hätte ihm Haydon etwas sehr Unanständiges vorgeworfen. »Was sagt man dazu! Was denn für Klubs? Nein, lassen Sie mich raten. Es kann nur der ›Club Braganca‹ und das ›La Brasilia‹ sein.«
Wieder nickte Haydon.
»Kann ein Mensch den Weibern trauen? Das ist ein echter Interessenkonflikt. Kein Wunder, daß sie nicht viel hier reingetragen hat. Verdammte Sauerei… Wette, ich hab’ von allem nur die Samen und die Stengel gekriegt.«
»Kennen Sie die beiden anderen Klubs?«
»Klar, sicher. Der eine ist hübsch und der andere hübscher.«
»In welcher Reihenfolge?«
»›La Brasilia‹ ist der beste. Richtig fein. Ich meine, er ist immerhin drüben an der Post Oak. Besser kann man es sich kaum wünschen, oder?«
»Kennen Sie die Besitzer?«
»Nein, die kenne ich nicht«,
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