Kalter Amok
den roten Teppich vom Bett bis zum Bad.
Haydon stieg vorsichtig darüber und ging ins Bad. Rote Fliesen, rotes Waschbecken, rote Toilettenschüssel, rotes Bidet. Eine in den Boden eingelassene, rote Badewanne, groß genug für mehrere Leute und voll von schmutzigen, roten Handtüchern, die allmählich zu schimmeln begannen. Ein roter Slip lag in der Ecke neben der Toilettenschüssel, und ein rotes Neglige war um die Säule geschlungen, auf der das Waschbecken ruhte. Der Arzneischrank stand offen; man sah eine zerknautschte Zahnpastatube, eine Flasche mit Mundwasser, eine Packung Antibabypillen, Visine, Leukoplast. Im untersten Regal befanden sich sieben viereckige Plastikbehälter, wie man sie in Geschenkläden bekommt. In jedem befanden sich Pillen von verschiedenen Farben.
»Ed, komm und sieh dir das mal an.«
Der Ire kam vorsichtig herüber ins Bad zu Haydon, warf einen Blick in das Schränkchen auf die farbigen Pillen und begann zu zitieren:
»Gelbe Jäckchen, Purpurherzen, rote Vögel, Pfirsiche, Speed, Fußbälle. Barbiturate und Amphetamine.« Er steckte den Finger in eine offene Medizinflasche, die auf dem Waschbecken stand, hob sie hoch. Es war Emetrol, von Behrmanns Apotheke.
»Emetrol?« fragte Haydon.
»Vermutlich hatte sie einen verkorksten Magen.«
»Hast du nicht mal was gesagt von Callgirls, die normalerweise kein Rauschgift nehmen?«
Mooney zog die Mundwinkel nach unten und zuckte mit den Schultern.
Als sie wieder ins Schlafzimmer zurückkehrten, ging Mooney weiter durch die Galerie, während Haydon die Hände in die Hosentaschen steckte und noch einmal an die Bettkante trat. Er beugte sich über die Tote und blickte auf ihr Gesicht. Schaumiger Speichel war ihr aus dem halboffenen Mund gedrungen und über den Hals bis aufs Kissen gelaufen. Ein Teelöffel voll war in dem Grübchen am Hals getrocknet.
Mooneys Stimme kam aus der Galerie, dann hörte man Hirsch und Vanstraten, letzterer klang besonders kurz angebunden.
»Ich werd’ verrückt«, sagte Hirsch, als er das Zimmer betrat.
»Laßt euch nichts davon entgehen«, sagte Haydon, als er an Hirsch vorbeikam, der sich bückte, um den Film in die Kamera einzulegen und die richtige Empfindlichkeit einzustellen.
Haydon gesellte sich zu Mooney und Vanstraten auf der Galerie.
»Soll ich jetzt den Laborwagen rufen?« fragte Mooney.
»Es wird sich nicht vermeiden lassen«, antwortete Haydon. Der erste Blitz erhellte die Galerie. »Ja, ruf an.«
Vanstraten lehnte geduldig an der Balustrade. Haydon bot ihm eine Zigarette an, aber der Pathologe schüttelte den Kopf.
»Das ändert die Sachlage natürlich«, sagte Haydon. »Jetzt brauche ich das Ergebnis der Tests so schnell wie möglich.«
»Natürlich«, erwiderte Vanstraten. Und dann: »Sehr interessant.« Er nickte in Richtung auf die offenstehende Tür des roten Schlafzimmers.
»Ja. Im Bad ist ein Medizinschränkchen voller Zeug. Ich hab’ noch nicht viel herumgekramt in dem Zimmer.«
»Nichts Schauderhaftes?«
»Nein. Sie ist einfach tot.«
»Genau wie die beiden anderen?«
»Genau wie sie.«
Sie warteten schweigend, jeder mit seinen Gedanken beschäftigt.
11
Als Hirsch fertig war, kam er die drei Treppen herunter und verpackte seine Kamera und das übrige Gerät. Vanstraten nahm seine schwarze Tasche und betrat das Zimmer, gefolgt von Haydon und Hirsch. Er stellte die Tasche auf das Bett neben das tote Mädchen, nahm einen hellgrünen Chirurgenkittel heraus und schlüpfte hinein. Die elastischen Ärmelenden bedeckten seine weißen Hemdmanschetten. Dann nahm er ein Paar Chirurgenhandschuhe heraus und streifte sie sich über.
»Kann ich den Dimmer auf groß stellen?« fragte er. Dann ging er langsam um das Bett, um das nackte Mädchen von allen Seiten betrachten zu können. Als er in Höhe ihres Kopfes angekommen war, beugte er sich abrupt hinunter und näherte sein Gesicht dem ihren. Er schnüffelte an ihrem Mund, an der Schläfe, dem Haaransatz. Dann ging er wieder um das Bett herum und blieb vor ihren Füßen stehen.
Mit beiden Händen faßte er vorsichtig den Knöchel des hochgezogenen Beins, zog dann den Fuß langsam nach unten und fühlte so nach der Spannung in den steifwerdenden Muskeln. Anschließend griff er nach ihrem Kopf und bewegte ihn von der einen Seite auf die andere, wobei er darauf achtete, daß die Schleimspuren nicht verwischten, während er die Nackenmuskeln testete.
Er trat wieder zurück und betrachtete das Mädchen, bückte sich erneut, schob seine
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