Kalter Amok
hast das demnach überprüft.«
»Richtig.«
»Okay, dann wollen wir mal sehen.«
Sie gingen über den gewundenen Plattenweg vorbei an blühenden Myrtenbüschen, die den Blick von der Straße völlig abschirmten. Durch die fein gerippten Zweige sah man eine zweite Gaslaterne blinken. Die Haustür stand immer noch offen, und Mooney stieß sie mit dem Fuß weiter auf, schaltete dann ein Licht in der Diele ein. Das Haus war mit viel Einfallsreichtum entworfen, wie es ein Architekt nennen würde; auf mehreren Ebenen, was dem Ganzen einen höhlenartigen Eindruck vermittelte.
Die Eingangsdiele befand sich im Parterre, und von dort aus ging es ein paar Stufen hinauf in den Wohnraum. Der Boden bestand aus Terrazzofliesen, die Einrichtung war ausgesucht gutes Art Deco, stilgetreu bis zu den Aschenbechern. Der Kamin war mit einer Glaseinfassung umrahmt, durch die man die Ziegel sehen konnte, und stand im Wettstreit mit einer alten Wurlitzer-Musikbox, die eine Ecke beherrschte und deren knallbunte Farben und Lichter grüne, rosa und blaue Reflexe auf die schneeweißen Wände und die Decke warfen. Die Möbel waren neu, aber im Stil der dreißiger Jahre nachgebaut: hochgepolsterte Sessel und Diwans mit plissierten Überzügen und viel Stahlrohr. Die Stoffe zeigten bunte Blumenmuster, die an einer Wand als Fresco wieder auftauchten, das an eine mexikanische Straßenszene auf einer gemalten Kunstpostkarte aus den dreißiger Jahren erinnerte.
Den Wohnraum umgab eine Galerie, deren Wände mit Neonkunst, Spiegeln und dem Kitsch aus dieser Epoche vollhingen. Kleine Palmen in bemalten, mexikanischen Keramiktöpfen warfen Dschungelschatten des Pastellichts auf die weißlackierte Balustrade.
Sie blieben einen Augenblick lang stehen, während Haydon sich umblickte und das ausgesuchte Ambiente auf sich wirken ließ. Dann ging er hinüber zu der Musikbox und schaute auf die handgeschriebenen Schildchen neben den beleuchteten Plastiknummern. Alle Titel waren in Portugiesisch. Die Interpreten waren ihm weitgehend unbekannt, aber er erkannte ein paar der berühmtesten Namen: Chico Buarque, Maria Bethania, Gal Costa, Antonio Carlos Jobim, Simone, Vinicius de Moraes, Elis Regina, Alcione. Die Künstler und die Musik stammten ausschließlich aus Brasilien. Ein Lied war in Großbuchstaben geschrieben und rot unterstrichen: EU TE AMO, die Themamusik eines brasilianischen Films mit demselben Titel, der seinerzeit, als er nach Nordamerika und Europa exportiert worden war, eine Sensation bewirkt hatte. Noch eine zweite Nummer war rot unterstrichen, der englische Titel klang geheimnisvoll: »Burundi Black«.
»Dort drüben ist eine Küche«, sagte Mooney und zeigte auf einen Durchgang. »Und ein Bad. Das ist alles auf dieser Ebene. Die Galerie bildet eine eigene Etage. Die drei Schlafzimmer gehen alle auf die Galerie hinaus, aber man muß drei Stufen hinaufgehen. Sie haben alle ein eigenes Bad. Ihr Schlafzimmer ist das letzte.«
Er ging die Treppe hinauf. Haydon folgte ihm, wobei er das Haus aus verschiedenen Blickwinkeln sehen konnte, während er auf die Galerie und zu den Schlafzimmern ging. Als sie vor dem letzten in der Reihe standen, ging Mooney ihm die drei Stufen voraus. Dann langte er hinein und berührte einen Dimmer, den er langsam aufdrehte. Der Raum dahinter schimmerte erst dunkel-golden, dann begann er flammend zu leuchten, als das Licht voll aufgedreht war.
Alles in dem Raum war mandarinrot: der Teppich, die Wände, die Möbel, das runde Bett in der Mitte. Und mitten auf dem Bett lag Theresa Parmer; ihr nackter Körper war eine zarte Narbe in der weitgeöffneten Scharlachblüte der Bettdecke. Sie hatte das eine Bein ausgestreckt, das andere in embryonaler Weise angezogen. Ihr Oberkörper lag fast flach auf dem Bett; ein Arm war unter dem Körper, der andere hing über die Bettkante. Ihr langes, schwarzes Haar lag ausgebreitet auf dem Bett, als ob sie für einen Fotografen posiert hätte.
Haydon schaute erst das Mädchen und dann Mooney an. »Und die anderen Schlafzimmer?«
Mooney nickte. »Blau und gelb«, sagte er.
Haydon ging auf die andere Bettseite und fand eine rote Lampe, die vom Nachttisch gefallen war; der Schirm klemmte zwischen dem Bett und dem Nachttisch. Eine halbleere Flasche Johnnie Walker lag auf dem durchweichten Teppich, der größte Teil ihres Inhalts hatte sich dort ergossen. Neben der Flasche lag ein rotes Glas – zerbrochen. Eine Spur zerknüllter und durchnäßter, roter Papiertaschentücher führte über
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