Kalter Amok
erzähle dir davon, sobald du hier bist.«
»Okay. In einer Viertelstunde.«
Haydon drückte auf den Knopf und wählte dann Hirschs Nummer an. Er war zu Hause und sah angeblich einen Film im Fernsehen. An der Art, wie er sprach, konnte Haydon erkennen, daß er ein Mädchen bei sich hatte.
»Tut mir leid, Leo«, sagte er, nachdem er es erklärt hatte.
»Macht nichts.«
»Aber bring eine gute Kamera mit, ja? Du sollst die Fotos diesmal selbst machen.«
Vanstraten war nicht zu Hause, aber seine Frau Jean teilte Haydon mit, daß er noch im Labor sei. Als Haydon im Büro des Coroners anrief, kam ein Assistent an den Apparat und bat ihn, eine Minute zu warten. Es dauerte etwa fünf Minuten, bis Vanstraten sich meldete.
»Haydon hier. Tut mir leid, aber ich habe schon wieder eine Prostituierte. Es wäre mir lieb, wenn Sie sie persönlich anschauen könnten.«
»Die Adresse?«
Haydon nannte sie ihm.
»Ich bin dort, so schnell ich es schaffe.«
Als Haydon aufgelegt hatte, merkte er, daß Nina hereingekommen war.
»Ich dachte, du schläfst«, sagte er.
»Ich habe geschlafen.«
»Entschuldige.«
»Ach, hör schon auf, dich zu entschuldigen. In den letzten drei Minuten hast du dich insgesamt dreimal entschuldigt.«
»Wir reden beim Frühstück darüber«, sagte er und küßte sie – zu hastig, dachte er später, als er Zeit hatte, darüber nachzudenken –, dann lief er nach oben, um sich anzuziehen.
Sally Steens Haus war eine Doppelhaushälfte in der Viertelmillion-Preisgruppe. Ed Mooney wartete neben einer Gaslaterne, die bleiches Licht verstreute und eine Glyzinie beleuchtete, deren lila Blüten im Schein der Laterne einen wächsernweißen Schimmer erhielten. Haydon parkte am Randstein und stieg aus. Mooney führte ihn an dem beleuchteten Vorgarten vorbei, dann standen sie einen Augenblick im Dunkeln, während Mooney die Sachlage erläuterte.
»Okay. Erstens wirst du froh darüber sein zu erfahren, daß ich im Dienst bin. Ich habe heute abend die Schicht von Simpson übernommen, der am nächsten Wochenende für mich einspringt. Nachdem du heute nach Hause gefahren bist, habe ich über unser Gespräch nachgedacht, bin zurückgegangen ins Büro und habe herumtelefoniert. Erst mit Judith Croft, dann habe ich hier angerufen, um zu sehen, ob da etwas läuft. Es stellte sich heraus, daß die Wohnung seit drei Wochen überwacht wird. Ein Team von unserem Dezernat hat versucht, ein bißchen Klarheit zu gewinnen über ein paar Ladys aus besseren Kreisen, die sich tagsüber ein Taschengeld dazuverdienen, während der Mann im Büro oder auf Geschäftsreise ist.
Ich war neugierig, also kam ich hierher, um mit den Bewachern zu reden. Es waren zwei von der Spezialeinheit, echte Spinner. Sie sagten, ein Mädchen namens Theresa Parmer hätte die Wohnung gemietet, aber mehr könnten sie nicht sagen, außer daß sie sich um die Besucher gekümmert hätten. Aber sie wüßten nichts. In den letzten drei Nächten ist hier weder jemand gekommen noch jemand gegangen. Ich habe ihnen vorgeschlagen, sie eine Weile zu vertreten, damit sie etwas essen gehen können. Sie sind gerade zehn Minuten weg, da hält ein Streifenwagen an und zwei Männer gehen auf die Tür zu. Ich springe aus dem Wagen und frage, was los ist. Sie sagen, die Frau im Haus nebenan hätte angerufen. Sie glaubt, es sei was Verdächtiges im Gange.«
»Und das ist die ältere Frau, die du am Telefon erwähnt hast?«
»Richtig. Ich komme gleich dazu. Also, zunächst erklärte ich den Leuten, daß das Haus hier überwacht wird und daß ich die Sache erledige. Es sieht so aus, als ob Mrs. Vine – das ist die Nachbarin – heute früh aus dem Haus gekommen ist, um die Zeitung zu holen. Sie sah, daß die Tür des Hauses von Miss Parmer einen Spalt offenstand, dachte sich aber nichts dabei. Als sie kurz vor Mittag einkaufen ging, stand die Tür noch immer offen. Den Nachmittag verbrachte sie bei ihrem Sohn in Piney Point, und als sie kurz nach Einbruch der Dunkelheit zurückkam, war es immer noch dasselbe. Sie hat zu Abend gegessen und danach ferngesehen. Die Nachrichten, dann Jimmy Carson, und als der späte Film etwa halb zu Ende war, hat sie noch mal nachgesehen. Alles unverändert. Also hat sie die Polizei angerufen.«
»Warum ist das den Bewachern nicht aufgefallen?«
»Von der Straße aus kann man die Haustür nicht direkt sehen. Sie ist hinter einem Spalier und einem Gebüsch versteckt. Aber man kann sehen, wer über den Weg vom Gehsteig zur Tür geht.«
»Du
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