Kalter Amok
Reichtum aus, die Leute, die sich durch die Gänge bewegten, zählten in Zehntausenden, die Arterien dieser Stadt pulsierten von Banken, Hotels, Büros, Restaurants, Boutiquen, Salons, Bars, Läden, einem Eisstadion, Kinos und Konfektionsgeschäften; von Klatsch, Sex, Romanzen und Intrigen. Die Quintessenz der Stadt Houston. So elegant, so intellektuell – eben die Galleria.
Von Mooneys Position aus konnte er ein halbes Dutzend funkelnder Lifts sehen, die sich in andere Ebenen bewegten, über und unter ihm. Es war ein fabelhafter Ort, um Menschen zu beobachten. In den zwanzig Minuten, die er jetzt wartete, hatte er einen Rauschgifthandel gesehen – auf Ebene eins –, einen arabischen Scheich, oder was auch immer, samt Gefolge – Ebene drei –, einen Taschendieb – Ebene eins –, einen Jagdleoparden an der Leine – Ebene drei –, Goldie Hawn – Ebene zwei –, einen Mann und eine Frau, die nebeneinander spazierten, wobei der Mann die Hand innerhalb der schwarzen Hose der Frau hatte – Ebene drei –, einen Mann in durchsichtiger Plastikhose und einem roten Bikinislip darunter – Ebene zwei –, eine Modeschau russischer Pelze – Ebene zwei –, und seinen Hausbesitzer, der eine Frau küßte, die nicht seine Frau war – Ebene eins.
Dann, inmitten dieses Karnevalszugs, den Mooney für das reichste und abwechslungsreichste Straßentheater der ganzen Welt hielt, sah er das bekannte Gesicht, auf das er gewartet hatte. Sie war – voraussehbar – vor den funkelnden Schaufenstern von Fred Joaillier stehengeblieben – kurz: Fred; Houston, Rodeo Drive; Paris, Saint Tropez, Monte Carlo. – Im Fenster lag ein Smaragd, so groß wie eine Walnuß, umgeben von Brillanten, die nicht kleiner waren als die Knöpfe an Mooneys Kaufhaushemd. Sie betrachtete die Steine, und Mooney wußte, daß sie sich dabei so erregte, als ob sie sich für Burt Reynolds ausziehen würde. Ihr Puls beschleunigte sich, ihre Körpersäfte flossen schneller, und ihre Phantasie wurde angefeuert von Gott weiß was für Gedanken – Gedanken, die kühn genug waren, um den alten Burt in Panik zu versetzen, kühn genug, um den Smaragd zu sprengen, kühn genug, um Mooney ein Kopfschütteln abzuringen. Er lächelte über die Absurdität der verdammten, weiten Welt, in der er herumwandern mußte.
Schließlich riß sie sich von den Schaufenstern los und ging, langsamer als die Menge, an einem Schuhgeschäft vorbei, vorbei an einem Geschäft für feine Unterwäsche, zu Tiffany’s. Dort blieb sie wieder stehen. Das dunkelgrüne Seidenkleid hing ihr von den Schultern und Hüften bis dicht über die Knie in Falten, die so starr waren wie bei einer Marmorstatue.
Maureen Duplissey war eines von jenen Mädchen, für die Texas berühmt war. Sie war blond, langbeinig, mit schlanken, hohen Hüften, und sie war schlau. Sie sprach mit deutlichem Texas-Akzent und hätte jeder Miss Texas den Titel streitig machen können, die ihn in den letzten zehn Jahren erobert hatte. Sie war in Nord-Dallas aufgewachsen, wo Daddy ein paar Hunderttausender pro Jahr gemacht hatte, weil er unter einem Mikroskop an Computerchips herumfummelte, und wo Mama ihre Tennisbräune zeigte, wenn sie in »Capezios« und den »Junior League Follies« tanzte. Maureen hatte angefangen, sich Make-up aufzulegen, bevor sie ihre erste Periode bekam, hatte Antibabypillen genommen, bevor sie den Führerschein erwarb – Mama wollte »realistisch darüber reden« – und nannte den Geschlechtsverkehr »Liebe«, nachdem sie in der vorletzten Highschoolklasse ihre erste Abtreibung hinter sich gebracht hatte.
Sie schrieb sich in der Universität von Texas in Austin ein, verbrachte vier Jahre in Polohemden und Lacostes als grinsende Pi-Beta-Phi-Studentin und studierte Betriebswirtschaft. Sie lernte rasch und verstand es, die verborgenen Werte ihrer natürlichen Vorzüge bei Bilanzen und Amouren einzusetzen. Bald wurde ihr klar, daß fast jeder Mann bereit war, den Staat auf tausend verschiedene Arten zu betrügen und sogar eine strafrechtliche Verfolgung zu riskieren, um fünfhundert Dollar Einkommenssteuer zu sparen, die er ihr dann ohne Zögern anbot als Preis für eine Nacht zwischen ihren Beinen. Es war eine Lektion, die sie nie mehr vergaß.
Als sie ihr Diplom gemacht hatte und nach Houston gezogen war, konzentrierte sie sich auf angewandte Betriebswirtschaft. Was ihr die Natur geschenkt und was sie akademisch aufpoliert hatte, entfaltete sie nun mit der Disziplin und dem Flair einer guten
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