Kalter Amok
Tollwutviren, die mit einer fluoreszierenden Lösung gefärbt waren. Wenn diese Antikörper mit dem Tollwut-Antigen in Berührung kamen, lief eine Antigen-Antikörper-Reaktion ab, die die Färbelösung zum Fluoreszieren brachte, sobald sie der feine Lichtstrahl des Mikroskops traf.
Er reaktivierte das Konjugat durch Beifügung von destilliertem Wasser, das er mit einer Injektionsspritze durch den Gummistopfen einführte. Dann gab er das Fläschchen in eine Zentrifuge, die er zehn Minuten lang laufen ließ. Anschließend benützte er wieder eine Spritze, um eine Portion des Konjugats aus dem Fläschchen zu saugen, und löste es in zwei Suspensionen von homogenisiertem Hundehirn – das eine normal, das andere von einem tollwütigen Tier. Wenn man die Ergebnisse genau haben wollte, war eine Kontrollreaktion erforderlich.
Mit Hilfe einer Pipette bedeckte er jeden der beiden Gewebsabdrücke auf den sechs Gläsern mit jeweils einem Tropfen der Suspensionen, die er präpariert hatte, wobei er sorgfältig darauf achtete, welches das normale und welches das infizierte Konjugat war. Er legte die Gläser in eine Feuchtkammer und ließ sie dort dreißig Minuten; danach spülte er sie in Phosphat-Salzlösung und wässerte sie anschließend zehn Minuten. Nun gab er ein paar Tropfen gepuffertes Glycerol auf die Stellen und legte vorsichtig eine zweite, dünne Glasscheibe darüber, wobei er darauf achtete, daß keine Bläschen entstanden.
Die Proben waren fertig zum Mikroskopieren. Er schaute auf die Wanduhr. Fast drei. Mit dem Tablett ging er zu einem anderen Tisch, auf dem ein Fluoreszensmikroskop stand. Er überprüfte den Filter und den dichromatischen Spiegel in der röhrenförmigen Kammer, die zum Lampengehäuse führte, wählte das Objektiv mit der geringsten Lichtstärke, schaltete das Licht ein und justierte die rote Nadel des Meßgeräts.
Langsam und bedächtig betrachtete er jedes der sechs Gläser, betrachtete sowohl die infizierte als auch die normale Gehirnsuspension, stellte die Brennschärfe, die Spiegel und die Irismembran ein. Er war hocherfreut über das, was er sah.
Die Gehirnprobe des Setters strahlte geradezu von den apfelgrünen Tollwut-Antigenen: ovale, glatte Einschlüsse in den Zytoplasmen der Zellen. Methodisch überprüfte er jedes Glas. Es gab nur ein Minimum an unspezifischen Proben, und das Antigen war hervorragend entwickelt. Er blickte vom Mikroskop auf und schaute hinüber zu der Petrischale am anderen Ende des Tisches. Dieser Klumpen Gewebe, durchzogen von Adern und Spalten, war so gefährlich wie das Gift der Tigerschlange, so tödlich, wie er selten eines gesehen hatte.
Es wurde spät. Er hatte nur noch ein paar Stunden Zeit. Ruhig wandte er sich wieder dem Gehirn zu und schnitt große Teile aus den Gegenden, die er getestet hatte, gab sie in einen Mörser und zermahlte sie zu einer Paste. Dann kratzte er die Paste in einen Mischkanister aus Chrom, gab die erforderliche Menge an phosphatgepufferter Salzlösung mit Antibiotika und eine Konzentration aus Bovalbumin dazu, um das Virus zu stabilisieren. Danach schloß er den Kanister an das Mischgerät des Labors an, homogenisierte das Gewebe und die Lösungen und achtete sorgsam darauf, den Kanister mit einem Tuch zu umwickeln, damit sich keine Viren verflüchtigten. Nach dem Homogenisieren mußte er dreißig Minuten warten, bis sich alle Tröpfchen gesetzt hatten, dann goß er die Gehirnsuspension in ein verschraubbares Plastikröhrchen und stellte es in den Korb der Zentrifuge. Er schaltete die Zentrifuge ein und ließ das Röhrchen bei zweihundertfacher Schwerkraft fünf Minuten lang rotieren, schaltete die Zentrifuge schließlich ab. Mit einer Spritze entnahm er die klare Flüssigkeit, die über der milchigen in dem Röhrchen schwamm, und gab sie in ein anderes Fläschchen mit einem Gummistopfen, den er mit der Nadel durchstach und so das Gefäß mit der Gehirnsuspension füllte.
Um halb fünf hatte er dieses Fläschchen und das Fläschchen mit den Hundeaugen in Eis gepackt und in eine Thermosflasche mit großer Öffnung gegeben. Er brauchte noch eine halbe Stunde, um das Labor zu reinigen und alles wieder so hinzurichten, wie er es vorgefunden hatte.
Um fünf Uhr, als die Nachtschicht im Krankenhaus zu Ende ging, trat Rafael aus dem Labor und sperrte die Tür von außen ab. In der einen Hand hatte er seine Bücher, unter den anderen Arm hatte er die Thermosflasche geklemmt, als käme er von einer langen, ermüdenden Nachtschicht. Er
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