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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David L. Lindsay
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müssen ganz sicher sein.«
    Sie nickte. »O ja. So jung, so jung…« Wieder schüttelte sie den Kopf. Dazu machte sie das Kreuzzeichen – so vage, als scheuchte sie eine Fliege weg.
    »Es war sehr nett von Ihnen, daß Sie sich hier mit mir getroffen haben«, sagte Hirsch. »Ich melde mich wieder.«
    Sie nickte und drehte sich dann um und begutachtete einen Haufen Orangen in einem Korb, als hätte sie nie mit Hirsch gesprochen. Hirsch ging nach vorne und hinaus in die helle Morgensonne, dann überquerte er die Straße. Nach der nächsten Ecke, einen halben Block weit auf der Querstraße, parkte der staubige, beigefarbene Wagen des Dezernats im Schatten eines Chinabeerenbaums. Hirsch stieg auf der Beifahrerseite ein und ließ die Tür offen, um frische Luft hereinzulassen. Mooney angelte nach seinem dritten Krapfen; der Schweiß stand ihm bereits auf der Stirn.
    »Nun?«
    Hirsch langte in den Pappkarton und nahm sich die letzte Bisquitrolle. »Sie kennt sie.«
    »Sicher?«
    »Genau das habe ich auch gefragt. Sie hat ja gesagt.«
    Mooney rülpste lautstark. Hirsch wandte sich ab und schaute durch die Windschutzscheibe hinaus auf den Schiffskanal. Er war an seiner nächsten Stelle höchstens fünf Blocks entfernt, jenseits dem Ende der Straße, hinter einem Block von Holzhäusern, den Eisenbahnschienen und einem freien Gelände mit vertrocknetem, dünnem Gras. Aber bis zum Wendebecken waren es zwölf Blocks, und dort mußten sie hin.
    »Riecht gut hier«, sagte Mooney. »Das hab’ ich sogar an den Krapfen geschmeckt.« Er langte nach vorn und nahm einen Viertelliterkarton mit Milch vom Armaturenbrett. Trank die Milch und warf den Karton hinaus in den Rinnstein. Dann zückte er sein Notizbuch. »Lagerhaus Nummer einundvierzig. Könnte passen. Was noch? Vielleicht trägt er sogar Krawatte.«
    »Es ist nicht sein eigenes Lagerhaus, Ed. Er hat die Räume gemietet für die Waren, mit denen er handelt. In der nächsten Woche könnten dort Bananen lagern, Gerät zum Ölbohren, Baumwolle oder Gewürze. Kommt ganz darauf an, was an- und abtransportiert wird und wer als erster die Lagerräume mietet.« Hirsch aß seine Bisquitrolle auf, wischte sich die Finger an der Papierserviette ab und stopfte diese in den leeren Karton. »Fertig?« fragte er.
    Mooney ließ den Motor an. »Dann dürfte er zur Zeit wohl dort sein, oder?«
    »Das hat man mir wenigstens in seinem Büro gesagt. Er ist dabei, die Lagerhäuser zweiundvierzig und dreiundvierzig mit Leder vollstapeln zu lassen. Und er selbst ist angeblich heute vormittag dort, den ganzen Vormittag, weil er Papierkram erledigen muß oder so. Und zwar in einem Büro über der Rampe eins.«
    Mooney fuhr langsam an, hatte das Fenster auf seiner Seite heruntergekurbelt und den Arm auf den unteren Rand gelegt, während er die schmutzigen Vorgärten der Holzhäuser hinter den ausgewachsenen Ligusterhecken und Chinabeerenbäumen betrachtete. An der Fünfundsiebzigsten Straße bog er nach rechts ab und fuhr die paar Blocks bis zur Navigation Street, die am Morgen leer und verlassen wirkte. Er überquerte die Navigation, fuhr über den Gleiskörper der Houston-Belt- und Terminal-Bahn und näherte sich dem Wendebecken. Es roch nach dem öligen Wasser des Schiffahrtskanals. Ein Netz von elektrischen Drähten spannte sich an schiefen Masten über die Straße; einer davon wurde gerade von einem Penner und seinem Hund als Pissoir zweckentfremdet. Kein Stück Metall in der Gegend, das nicht verrostet gewesen wäre. Das Gras entlang den Gehsteigen war mit Unrat durchsetzt.
    Die Straße senkte sich jetzt abrupt, und der Wagen fuhr durch ein Tor zum Becken. Das Wendebecken selbst war eine Art Leistenbruch im Bauch der Buffalo Bayou, deren Wurmfortsatz sich durch das Zentrum von Houston schlängelte und von der Mülldeponie an der Lockwood Street an Schlepperkanal genannt wurde. Dort, wo der Schlepperkanal das Wendebecken erreichte, wurde er offiziell zum Houston-Schiffahrtskanal. Er führte noch zweiundzwanzig Meilen durch Verladungszonen, ehe er bei der Galveston Bay in den Golf von Mexiko mündete.
    Nachdem sie hinter dem Tor kurz angehalten hatten, fuhr Mooney auf einen freien, großen Parkplatz auf der Kaiseite. Die beiden ersten Lagerhäuser am Becken waren rechts davon, die anderen umgaben das Becken auf der linken Seite und setzten sich am Nordufer des Kanals fort, so weit man sehen konnte. Die beiden Männer stiegen aus dem Wagen, gingen wie kleine Jungen instinktiv erst einmal zum Rand des

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