Kalter Amok
sich auf den einen der beiden Stühle vor dem Schreibtisch, an dem Longoria gesessen hatte.
»Und wenn ich nein sage?« fragte Longoria und schaute dabei Mooney an.
Mooney schüttelte den Kopf und grinste.
»Alberto.« Longoria wandte sich an den Mann am Telefon, hielt aber den Blick auf Mooney gerichtet. Alberto begann schneller zu sprechen, um das Telefonat zu Ende zu bringen. Er sprach Spanisch in einer Art Bühnengeflüster.
»Alberto!« bellte Longoria noch einmal.
»Chinga tu madre!« brüllte Alberto ins Telefon und knallte den Hörer so heftig auf die Gabel, daß der Apparat klingelte. Dann schaute er auf Longorias Rücken und versuchte herauszubekommen, was da vor sich ging.
»Geh raus und rauch eine Zigarette«, befahl Longoria.
Alberto betrachtete Mooney und Hirsch, schien allmählich zu begreifen und stand auf. Er war ungefähr wie Longoria gebaut, aber bulliger und rauher in seinen Manieren. Als er an dem alten Mann vorbeiging, gab er ihm einen Klaps auf den Rücken. Der Alte kletterte von seinem Hochsitz auf dem Schreibtisch herunter und folgte Alberto durch die Tür ins Freie.
»Was wollen Sie?« fragte Longoria. Dabei setzte er sich nicht und richtete die Frage absichtlich an Hirsch, der ebenfalls noch stand.
Mooney antwortete. »Nur ein paar Routinefragen«, sagte er und ließ es wie bei einem Fernsehkriminaler klingen.
»Routinefragen – worüber?« fragte Longoria, noch immer an Hirsch gewandt.
Mooney drehte sich herum und blickte zu Hirsch hoch. »Stellst du die Fragen, Leo?«
»Nein.«
»Hab’ ich auch nicht gedacht. Ich bin hier unten, Mr. Longoria.«
Longoria schaute ihn an, sagte aber kein Wort. Er sah drein, als wollte er sich entscheiden, ob er diese Art von Spiel mitmachen sollte oder nicht.
»Routinefragen über das Haus, in dem Sie wohnen – drüben in der Harbor Street.«
»Ich wohne nicht in der Harbor Street.«
»Ach, nein?« fragte Mooney mit gespielter Überraschung.
Longoria starrte ihn kalt an. Er überlegte. Jetzt nahm er eine Zigarettenpackung, steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an. Das Streichholz warf er achtlos auf den Schreibtisch, und den Rauch blies er Mooney ins Gesicht.
»Lecken Sie mich am Arsch«, sagte er.
»Oho, ein ganz schlimmer Finger«, erwiderte Mooney und grinste. »Jesus und Maria.«
»Aber Sie besitzen doch das Haus in der Harbor Street«, sagte Hirsch rasch.
»Das wissen Sie vermutlich«, antwortete Longoria.
»An wen haben Sie es vermietet?«
»Das ist meine Angelegenheit.«
»In diesem Haus hat es einige fragwürdige Vorkommnisse gegeben, Mr. Longoria. Es wäre das beste für alle, wenn Sie sich entschließen könnten, mit uns zusammenzuarbeiten«, erklärte Hirsch.
Longoria langte nach unten und zog die Schreibtischschublade heraus.
»Vorsichtig damit…« sagte Mooney und beugte sich vor.
Longoria warf ihm einen spöttischen Blick zu und nahm eine Geschäftskarte heraus. Er warf sie Mooney über den Schreibtisch zu.
»Das ist die Karte meines Anwalts. Er weiß, wer in dem Haus wohnt.«
Mooney nahm die Karte und las sie langsam, wobei er die Worte tonlos nachsprach, als sei er ein schlichtes Gemüt.
»Daran erkenne ich, daß Sie ein großer Mann sind«, sagte er. »Große Männer haben ihre Anwälte.« Er drehte sich um und ließ Hirsch die Karte sehen. »Sein Anwalt.« Danach stand Mooney langsam auf und gab Longoria die Karte zurück, der sie jedoch nicht nehmen wollte. Also warf sie Mooney auf den Schreibtisch.
»Was, zum Teufel, soll das eigentlich?« Longoria schaute sie mit wütenden Blicken an.
Hirsch begann zu sprechen. »Ihr Haus in der Harbor Street ist mehrere Monate lang als vorübergehendes Quartier für junge Mädchen benützt worden, die illegal in die Vereinigten Staaten gekommen sind, und zwar aus verschiedenen lateinamerikanischen Ländern – zum Zweck der Prostitution. Drei von diesen Mädchen sind inzwischen im Leichenhaus der Stadt Houston aufgetaucht, und wir befürchten, daß wir dort noch weitere von den Mädchen entdecken. Wir hofften, Sie würden mit uns zusammenarbeiten, indem Sie uns ein paar Fragen beantworten. Wenn Sie sich weigern, müssen wir annehmen, daß Sie sich der Beihilfe und Komplizenschaft schuldig gemacht haben – und in diesem Fall müßten wir Sie festnehmen und ins Präsidium bringen.«
»Warum? Warum wollen Sie mich festnehmen?«
»Wegen Förderung der Prostitution, Verletzung der Einwanderungsgesetze und Mord ersten Grades.«
»Bockmist!«
Weitere Kostenlose Bücher