Kalter Amok
nicht.
»Woher will ich wissen, daß Sie mich nicht doch festnehmen?« fragte Longoria. »Oder glauben Sie, ich packe einfach aus, auf Ihr schönes Gesicht hin?«
»Bis jetzt haben Sie es recht gut gemacht«, sagte Mooney.
»Wir werden hier ohne Sie weggehen«, versicherte ihm Hirsch. »Aber Sie dürfen sich nicht nur die Informationen aussuchen, die Ihnen angenehm sind.«
»Nennen wir es ein Geschäft um Ihre Freiheit«, sagte Mooney. »Glauben Sie mir, wir haben Ihnen mehr anzubieten als der Staatsanwalt.«
Longoria überlegte wieder. Er stand auf, ging zur Klimaanlage und schaute durch das Fenster nach draußen. Er hatte beide Hände in den Hosentaschen und klimperte mit dem Kleingeld.
»DeLeon hat mir mal gesagt, daß Guimaraes’ Neffe die Fotos aufnimmt. Er scheint ein guter Fotograf zu sein. Macht die Fotos so richtig auf sexy, Sie verstehen?«
»Arbeitet er für seinen Onkel?«
»Verdammt, nein. Er studiert.«
»Wo?«
»Auf der Universität. Medizin. Die medizinische Fakultät der Universität von Texas.«
»Wie heißt er?«
»Ich weiß nicht«, sagte Longoria und drehte sich um. »Ehrlich. Ich weiß nur, was ich von DeLeon gehört habe. Wenn er es mir nicht sagt, weiß ich es nicht.«
»Warum bringt man eigentlich die Mädchen von so weit her – bis aus Brasilien?«
»Nun, man kann amerikanische Mädchen nicht auf diese Art und Weise verkaufen. Außerdem sind viele von den Kunden Brasilianer. Sie mögen diesen Frauentyp. Manche sind wirklich ’ne Wucht. Und die alten Böcke putzen sie heraus, als wenn sie Damen der Gesellschaft wären. Halten sie wirklich nett, in schönen Eigentumswohnungen. Es ist eine große Sache.«
»Was muß ein Kunde für ein solches Mädchen bezahlen?«
»Fünfundzwanzigtausend.«
»Scheiße!« Mooney schüttelte den Kopf.
»Verdammt, die Kunden zucken dabei nicht mal mit der Wimper. Ich meine, für das Geld bekommen sie diese jungen, bildschönen Mädchen. Mädchen mit Klasse, die gebildet und sexy sind. Sie zeigen sie herum, zeigen sie ihren Freunden und Bekannten, und jeder fragt sich, wie das sein muß, wenn man mit so was ins Bett steigen darf. Es gibt mehr Interessenten als Angebote.«
»Diese Mädchen aus den Slums von Rio – die sind also gebildet, wie?«
»Nun, sie werden ja nicht direkt vom Frachter aus verkauft. Guimaraes hat einiges Geld investiert, um sie zu erziehen.«
»Zu erziehen?«
»Ja. Er kennt ein paar hochklassige Callgirls, die ihnen all die kleinen Dinge beibringen, damit sie sich wie echte Ladys benehmen. Sagen wir, die rauhen Ecken und Kanten werden abgeschliffen.«
»Und wer übernimmt diese Aufgabe?«
»Ich kenne keine Namen.«
»Haben Sie jemals solche Callgirls gesehen?«
»Einmal.«
»Sie treffen offenbar jeden, auf den es ankommt, nur einmal?« fragte Mooney.
Longoria ignorierte die Bemerkung.
»Könnten Sie diese – Erzieherinnen anhand von Fotos identifizieren?«
»Vermutlich.«
»Wo haben Sie sie gesehen?«
»Drüben in der Harbor Street. Sie kommen gelegentlich hin, um sich die neuen Mädchen anzusehen.«
»Werden die Mädchen dort – erzogen?«
»Nein, natürlich nicht. Sie bringen sie für ein paar Wochen irgendwohin. Das ist kein schnelles Geschäft. Sie arbeiten mit den Mädchen wirklich gut. Sie würden sie nicht wiedererkennen, nachdem sie von den Nutten erzogen wurden. Verdammt – es sind wirklich tolle Weiber, wenn sie verkauft werden.«
»Wieviel von den fünfundzwanzigtausend Dollar bleibt Guimaraes als Profit?«
»Ungefähr zwanzig, schätze ich. Er zahlt fünftausend in mordidas. Aber ich weiß nicht, was er hier noch für die Ausbildung investiert.«
Mooney saß still da, senkte den Kopf und starrte zu Boden, als denke er über das Schicksal eines gewissen Arturo Longoria nach, im Licht seiner ruchlosen Verbrechen und den mildernden Umständen seiner Bereitschaft zur Kooperation mit der Polizei. Hirsch rührte sich nicht. Der Kompressor der Klimaanlage schaltete sich ein, und das Fenster klapperte. Mooney lutschte lautstark an einem Krapfenstück in einer Zahnlücke.
»Jetzt werde ich Ihnen was sagen«, erklärte er plötzlich und schaute Longoria an, dessen weißes Hemd sich im Wind der Klimaanlage leicht bauschte. »Holen Sie sich Ihren tollen Anwalt, gehen Sie mit ihm in das Gebäude der Staatsanwaltschaft des Harris Countys in der Fannin Street und sprechen Sie dort mit einem gewissen Russ Million. Er ist Stellvertretender Staatsanwalt. Er wird über Ihr Kommen informiert sein, und ich
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