Kalter Amok
unteren Schneidezähne berührten den Schnauzbart.
»Ich leiste nur DeLeon einen Gefallen«, sagte er, dann wartete er, um zu sehen, wie das aufgenommen wurde. Mooney und Hirsch schauten ihn erwartungsvoll an.
»Sehen Sie, ich importiere alle möglichen Waren aus Brasilien. Es ist nicht viel, aber ich habe eine Lizenz. Man braucht eine Lizenz, wenn man Frachtraum auf einem Handelsschiff buchen will. Manchmal verleihe ich meine Lizenz an DeLeon. Manchmal. Verdammt, das ist doch kein Mißbrauch. Ich meine, es ist nicht illegal, soviel ich weiß.«
»Und DeLeons Firma gehört Guimaraes?« fragte Hirsch.
Longoria sah plötzlich aus wie ein kranker Mann. Er nickte.
»Gehört ihm auch Ihre Firma?«
»O nein. Nein. Das hier gehört alles mir. Ich habe es selbst geschaffen, und es gehört mir. Ich habe keine Hilfe dabei gehabt.«
»DeLeon hat also das Arrangement getroffen, wie die Mädchen mit den Frachtern herübergebracht werden?«
Wieder nickte Longoria.
»Und wie geht das vor sich?«
Agonie stand auf Longorias Gesicht geschrieben. Ob er nur ein wenig, ziemlich tief oder gar nicht in die Sache verwickelt war, würde sich zeigen; vorläufig hatte er sich entschlossen, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, indem er alles berichtete. Wenn man so in die Enge getrieben wird, versucht man als erstes, ihn zunächst einmal aus der Schlinge zu ziehen. Vielleicht macht man sich später Gedanken darüber, wie man das auf Dauer schaffen kann, wenn man mehr Zeit zum Nachdenken und mehr Bewegungsspielraum für geschickte Manöver zur Verfügung hat.
»Man muß eine Menge Leute bestechen«, sagte er. »Auf beiden Seiten. DeLeon kümmert sich um die mordidas in Rio oder Belém. Er fliegt dorthin. Auch hier kümmert er sich darum, aber er benützt meinen – ein paar Leute, die ich kenne.«
»Für einen Immobilienhändler ist dieser DeLeon ziemlich emsig. Was ist er wirklich? Der Handlanger des großen Bosses?« fragte Mooney.
»Viel mehr als das. Er ist sein Anwalt.«
Mooney grinste boshaft. »Im Ernst?«
»Er hat noch eine andere Besuchskarte, auf der das steht. Ich habe keine von diesen Karten hier. Die Grundstückssache ist nicht sein Hauptgeschäft. Er ist vor allem Anwalt.«
»Was sind das für ›Leute‹, die Sie kennen und die er benützt?« wollte Hirsch wissen.
»Ein Zöllner. Ein Angestellter einer Reederei. Leute, die die Fracht und die Frachtbriefe kontrollieren.«
»Und wie kommen die Mädchen nun tatsächlich herüber?«
»In großen Lattenkisten. Das ist nicht schlimm«, fügte er rasch hinzu. »Es sind einszwanzig mal einszwanzig mal einsfünfzig große Kisten, gut gepolstert, mit Griffen und Haltegurten innen, für den Fall, daß sie etwas herumgeworfen werden. Die Mädchen sind da höchstens sechs Stunden drinnen. Sobald sie an Bord sind und das Schiff sich auf internationalen Gewässern befindet, läßt sie einer von der Mannschaft heraus und kümmert sich um sie. Ich kann darüber keine Details nennen, weil ich sie nicht kenne. Aber auf jedem Frachter ist ein Schiffsoffizier und einer von der Mannschaft in die Sache eingeweiht. Es ist kein großes Risiko, und es geht ganz einfach.«
»Dann kommen sie wieder in die Kisten, um hier ausgeladen zu werden, Ihre Leute kümmern sich darum, und DeLeon holt seine ›Fracht‹ ab.«
»Ja. Bei Nacht.«
»Wieviele sind auf diesem Weg hierhergebracht worden?«
»Zwölf, vielleicht fünfzehn. Ich hab’ sie nicht gezählt. Manchmal kommen zwei gleichzeitig an.«
»Und wie lange läuft das schon?«
»Ungefähr achtzehn Monate.«
»Woher stammen die Mädchen?«
»Ich nehme an, die meisten kommen aus Rio. Es sind Mädchen, die in den Slums aufgewachsen sind. In Rio gibt es Slums, in denen Millionen Menschen leben. Die Menschen tun alles, um von dort wegzukommen.«
»Was geschieht, wenn die Mädchen hier sind?«
»Sie kommen ein paar Tage in das Haus in der Harbor Street. Dort werden sie fotografiert, Porträtfotos. Sie sehen alle gut aus. Und Fotos ohne Kleidung, versteht sich. Sie sind alle jung. Die Fotos werden dann den Kunden gezeigt.«
»Wer macht die Fotos?« fragte Mooney rasch.
Longoria ließ eine Pause entstehen. »He, ich hab’ jetzt schon genug ausgespuckt. Es gibt schließlich Grenzen.«
»Ach, wirklich?« fragte Mooney. »Grenzen? Sagen Sie das mal dem Richter: He, das geht zu weit! Zehn Jahre sind zuviel!«
Longoria schaute drein, als ob er Mooney in seine Einzelteile zerlegen wollte. Die Routine des Kriminalbeamten paßte ihm
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