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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David L. Lindsay
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wissen.«
    »Möglich. Aber es hilft manchmal, wenn man dieselbe Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln geschildert bekommt.«
    Sie schaute ihn an, überlegte, nickte dann. »Ich verstehe. Nun, ich nehme an, Sie wissen, daß man bei Theresa so etwas wie einen Benimmunterricht durchgeführt hat?« fragte sie tastend.
    »Für brasilianische Mädchen, deren Benehmen aufpoliert werden sollte?«
    »Ja. Sandy und Theresa haben sich damit befaßt, aber Judith hat die Sache geleitet. Sie hat die Arrangements getroffen und festgestellt, wann ein Mädchen soweit war, daß es auf die Allgemeinheit losgelassen werden konnte. Sie war sozusagen die Leiterin des Unternehmens und stand in direktem Kontakt zu diesem Brasilianer. Genau gesagt, nehme ich an, daß er und Judith zusammenarbeiten.«
    »Judith und Guimaraes?«
    »Ja. Ich nehme an, es handelte sich um ein Geschäft, aus dem Sally gleich zu Beginn ausgestiegen ist. Judith kümmerte sich praktisch um alles.«
    »Ich bin mir noch immer nicht im klaren darüber, welche Mädchen bei Theresa wohnten und wann. Haben diese neuen Mädchen an Gruppentreffen mit möglichen Käufern teilgenommen?«
    »Bestimmt nicht. Sie wurden gehütet wie Sakralgegenstände, während sie in der Ausbildung waren. Streng geheim. Bei den kleineren Partys war es allerdings ein bißchen anders. Sicher, in den zwei oder drei Wochen, wo die Mädchen dort wohnten, ging es nur um den Unterricht. Da gab es keine Dummheiten. Aber zwischen den ›Lehrgängen‹, wenn keine Mädchen dort wohnten, war alles möglich. Manchmal verabredeten sich diese alten Böcke dort mit ihren Mädchen, und dann war wie gesagt, alles möglich.«
    »Sie meinen dieselben Mädchen, die man zuvor dort ausgebildet hatte und die inzwischen an Männer verkauft worden waren?«
    »Genau. Es war wie ein Familienfest. Jeder fühlte sich irgendwie als dazugehörig. Und wenn es das nicht war, dann kam dieser Neffe von – « Sie machte eine Handbewegung, wollte den Namen nicht aussprechen.
    »Guimaraes.«
    »Ja. Der kam gelegentlich mit ein paar Mädchen vorbei, zu seinem Privatvergnügen.«
    »Heißt das, er hat die Mädchen mitgebracht?«
    »Stimmt.« Sie grinste. »Das ist ’ne heiße Sache, wie? Er ist ein hinterhältiger Bastard. Sehen Sie, diese Geschäftsleute waren oft verreist. Die Mädchen hatten nichts zu tun. Also kümmerte sich dieser Neffe um sie. Es war eines der offenen Geheimnisse, und wenn einer von den Männern dahinterkam, hat er nichts darüber gesagt. Der Onkel ist nun mal die große Banane in dieser brasilianischen Gesellschaft; ich glaube, der Neffe hat getan, was ihm beliebte, und niemand hat darüber gesprochen.«
    »Haben Sie ihn kennengelernt?«
    »O ja.«
    »Was ist er für ein Mensch?«
    »Ein Verrückter. Unheimlich. Wirklich ›verrückt, gemein und gefährlich‹.«
    Haydon lächelte.
    Die Duplissey streckte den Kopf nach vorn. »Sie kennen das Zitat?«
    »Ja. Sie auch?«
    Sie grinste, und dahinter war echtes Vergnügen zu erkennen. »Hören Sie, ich habe an der Uni studiert. Hauptfach Betriebswirtschaft, aber ich habe auch Literaturkurse belegt. Ich erinnere mich an das Zitat, weil es mir so verdammt schlau und zutreffend vorkam. Lady Caroline Lamb hat es in Bezug auf Lord Byron gesagt.« Sie lachte. »Gott, kaum zu glauben, daß Sie es kennen.«
    »Und dieser Bursche ist wie Byron?«
    Sie stieß eine Lunge voll Rauch aus. »Wohl kaum. Byron war vielleicht ein bißchen ausgefallen, aber dieser Kerl ist pervers. Er kam ungefähr dreimal die Woche, manchmal allein, manchmal mit einem oder zwei von diesen brasilianischen Mädchen. Wissen Sie, die Mädchen stammten zwar aus den Slums, aber sobald sie einen Happen vom süßen Leben erwischt hatten, versuchten sie es auch zu genießen, und zwar mit Stil. Sie waren Naturtalente. Angezogen wie die Mannequins. Großartig – jede von ihnen.«
    »Und sie feierten Partys mit dem Neffen – wie heißt er noch?«
    »Rafael. Oh, und wie sie Partys feierten! Sie ließen die alte Wurlitzer-Musikbox laufen, die Rafael mit der großartigsten brasilianischen Musik aufgefüllt hatte. Wir alle haben diese Musik geliebt. Sie hatten ihren eigenen brasilianischen Karneval, und die Champagnerkorken knallten. Rafael war süchtig auf diese Musik. Wenn er da war, lief die Musikbox ununterbrochen. Manchmal ganz romantische Sachen, dann Sambas, und wenn es heiß wurde, hat er diese Karneval- batacudas gedrückt. Wild! Und die Mädchen waren unersättlich. Der unheimliche Neffe hat nur

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