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Kalter Fels

Kalter Fels

Titel: Kalter Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Koenig
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schneller dorthin zu eilen, wo er sie am liebsten hatte. Und Marielle auch.
    * * *
     
    »Ich habe viel nachgedacht«, sagte Schwarzenbacher. »Hab dazu ja reichlich Gelegenheit. Der Fall des Toten unterm Marterl fängt an, mich zu packen …«
    »Du meinst die Geschichte im Kaisergebirge? Ja, die hat was. Ich grüble auch schon länger«, sagte Reuss. »Aber mir wäre lieber, wir würden uns mit einer anderen Sache befassen. Auch eine alte Geschichte. Erinnert sich kaum noch wer dran … Entschuldige mich einen Augenblick.«
    Reuss stand auf und verließ das Besprechungszimmer. Es dauerte kaum eine Minute, ehe er mit einer Klarsichtfolie zurückkam.
    »Schau dir das mal an«, sagte er und gab Schwarzenbacher die Unterlagen. Die Hülle enthielt einige angegilbte Zeitungsausschnitte.
    »Es mag dir vielleicht wenig erscheinen, was ich habe. Aber keine Sorge: Es ist nicht alles. Es gibt eine Schwester, die nie an einen Unglücksfall geglaubt hat und die es gerne sehen würde, dass wir uns der Sache annehmen.«
    »Langsam, langsam«, sagte Schwarzenbacher. »Lass mich doch erst einmal lesen, um was es da überhaupt geht.«
    Doch während Schwarzenbacher las – die Schlagzeilen, die Bildunterschriften und dann die Berichte –, sprach Reuss weiter auf ihn ein. Schwarzenbacher las und hörte zu, hörte zu und las. Er hätte gern in Ruhe gelesen, aber er merkte, dass er dazu jetzt keine Chance haben würde.
    »Ein Bergunfall«, sagte er. »Wie lange her?« Er fand einen Zeitungsausschnitt, bei dem oben am Rand ein Datum handschriftlich notiert war. »1974 … Das ist fünfunddreißig Jahre her … Und was willst du an der alten Geschichte rekonstruieren?«
    »Stimmt: Es ist fünfunddreißig Jahre her. Aber Mord verjährt bekanntlich nicht …«
    »Mord? Wie kommst du drauf? Hier steht, dass ein junger Mann durch Steinschlag zu Tode kam. Tragischer Unglückfall. So was passiert eben. Das weiß sogar ich, der ich nie ein Bergsteiger gewesen bin. Also, wo sind die Indizien, die für einen Mord sprechen?«
    Reuss, der sich nicht wieder gesetzt hatte, zeigte ein kleines, spöttisches Lächeln. Ein Lächeln, das im Gerichtssaal jeden Staatsanwalt aus der Fassung bringen konnte. Und auch Schwarzenbacher fühlte sich alles andere als wohl unter diesem Blick und dem leicht gespitzten Mund des Anwalts.
    »Es gibt, glaube ich, einiges, was nicht in den Zeitungen gestanden hat. Natürlich sind das erst einmal nur meine Vermutungen. Es wird an dir liegen, diese Verdachtsmomente zu erhärten.«
    »Ziemlich unkonkret«, maulte Schwarzenbacher.
    »Gemach, gemach, mein Lieber. Die Schwester dieses 1974 ums Leben gekommenen Mannes ist jedenfalls der festen Überzeugung, dass ihr Bruder getötet worden ist. Weißt du …«, Reuss sah Schwarzenbacher nachdenklich an, »es gibt Klienten, denen merkt man an, dass sie einem nicht die ganze Wahrheit sagen. Das ist einfach so. Sie halten Fakten zurück, weil sie nicht einmal ihrem Anwalt vertrauen. Und dann gibt es das genaue Gegenteil. Es kommt jemand, der keine oder nur ganz dürftige Fakten hat. Doch als Anwalt spürt man, dass alles stimmt, dass jede Vermutung sehr wohl begründet ist. Und so ist es mir mit der Schwester des Verunglückten – oder sollte man sagen: des Mordopfers? – ergangen. Sie hat nie an den Unfalltod geglaubt. Ist von Pontius zu Pilatus gerannt, aber hat nirgendwo Gehör gefunden. Und die Zeit lief natürlich auch gegen sie. Irgendwann war es nur mehr eine alte Geschichte. Und sie eine Spinnerin, die nie Ruhe geben würde. So ist sie schließlich bei mir gelandet. Nach fünfunddreißig Jahren.«
    »Hast du sie persönlich kennengelernt?«, fragte Schwarzenbacher.
    »Bis jetzt nicht. Wir haben telefoniert. Und sie hat mir diese Zeitungsausschnitte geschickt.«
    »Was weißt du?« Schwarzenbachers Stimme klang hart, ungeduldig, beinahe wie die eines Jägers, der in einer Mischung aus Ungeduld und Angst nicht mehr länger warten wollte, auf die Jagd nach gefährlichem Wild zu gehen.
    »Sie glaubt, dass ihr Bruder ermordet worden ist. Und sie glaubt es so fest, so aus ihrem tiefsten Inneren heraus, dass ich meine, es ist wirklich was dran. Und dann ist da noch was: Sie ist der Meinung, dass nach 1974 mindestens noch ein Bergsteiger auf dieselbe schreckliche Art ums Leben gekommen ist wie ihr Bruder. Mit Steinen erschlagen. Wenn das stimmen würde …«
    Schwarzenbacher wartete die Schlussfolgerung des Anwalts nicht ab.
    »Lebt sie in Innsbruck?«
    »Sie ist

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