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Kalter Fels

Kalter Fels

Titel: Kalter Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Koenig
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gegenüber vom Eisstadion. Er fuhr mit dem Aufzug in den dritten Stock und wandte sich dort an den Nächstbesten, der ihm begegnete.
    »Ich nehme an, der Alpenverein führt so etwas wie eine Unfallstatistik«, sagte er zu dem jungen Mann. Der sah ihn, den Rollstuhlfahrer, etwas skeptisch an und fragte: »Sind Sie Mitglied?«
    Es war etwas im Gesicht des jungen Mannes, was Schwarzenbacher auch schon ohne diese saublöde Frage auf die Palme brachte. Er mochte diese strahlend blauen Augen nicht, nicht das goldblonde Haar, das, scheinbar nur mit den Fingern flüchtig in Form gebracht, sein Gesicht rahmte, er mochte das Lächeln nicht und nicht die glänzenden Zähne, die dabei zum Vorschein kamen.
    Schwarzenbacher rollte ganz dicht an ihn heran und sagte wütend:
    »Sie holen mir jetzt augenblicklich einen, der dafür zuständig ist. Denn sonst reiß ich Ihnen ganz gehörig den Arsch auf …«
    Ob es die Autorität des früheren Polizisten war, die den jungen Mann so verschreckte, oder ob er einfach nicht wusste, wie mit dem jähzornigen Rollstuhlfahrer am besten umzugehen sei – jedenfalls machte der Schönling auf dem Absatz kehrt und verschwand in den Gängen des Gebäudes.
    Schwarzenbacher war gespannt, was geschehen würde. Er rollte zu einem Ständer mit Infomaterial, nahm ein paar Broschüren heraus, steckte sie aber gleich wieder zurück.
    Er wusste, dass er gemein gewesen war. Der Kerl kann ja nichts dafür, dass er jung ist, dachte er. Dass er jung ist und gut aussieht, dass er Beine hat, mit denen er laufen kann, und dass er abends fesche Mädchen aufreißt, die sich wahrscheinlich gern von ihm vögeln lassen.
    Neidisch bin ich auf ihn, dachte Schwarzenbacher. Nichts als neidisch. Reiß dich zusammen, alter Sack.
    Der junge Mann blieb verschwunden. Zumindest zunächst. Stattdessen kam ein anderer, ebenfalls ziemlich gut aussehender, wenn auch schon deutlich älterer. Enge Jeans, Pullover mit aufgenähtem ÖAV-Abzeichen, nigelnagelneue Turnschuhe.
    »Walser«, stellte er sich vor. »Konrad Walser. Sie brauchen Rat in Sachen Bergunfällen?«
    Schwarzenbacher nickte und stellte sich seinerseits vor. Er hatte sich beruhigt. Außerdem hatte dieser Walser nichts, was ihn auf Anhieb hätte wütend machen können – außer Beinen.
    Er schilderte ihm kurz sein Anliegen, woraufhin Walser ihn mit in sein Büro nahm. Dass er ihm dabei behilflich sein wollte, den Rollstuhl durch die Glastüren zu manövrieren, lehnte Schwarzenbacher ab. Er ließ sich nicht gern helfen.
    »Kaffee?«, fragte Walser in seinem Büro. »Oder lieber ein Pago-Saftl?«
    Auf dem riesigen Schreibtisch Walsers lagen nicht nur Papiere; verstreut über die ganze Arbeitsfläche lagen da auch rostige Felshaken, gebrochene Steigeisen, die Rissteile eines Kletterseiles, ein geborstener Helm. Der Helm lag mit der Schale nach oben – am Innenpolster war in Farbtönen zwischen Rost und fast Schwarz fleckig das Blut des Verunglückten zu sehen.
    »Es geht um diese Geschichte«, sagte Schwarzenbacher und reichte Walser Kopien der Zeitungsausschnitte von 1974. Er erklärte dem Alpenvereinsmann, was es damit auf sich hatte und warum er sich der Sache annahm.
    »Wenn ich Sie recht verstehe, möchten Sie Informationen über alle Bergunfälle, die sich so ähnlich zugetragen haben. Da können wir Ihnen wohl ein Stück weit helfen. Allerdings: Wir haben hier nur jene Bergunfälle erfasst und dokumentiert, von denen ÖAV-Mitglieder betroffen waren.«
    »Ich nehme an, dass mir das schon weiterhelfen würde«, sagte Schwarzenbacher.
    »Und für welchen Zeitraum brauchen Sie das alles?«
    »Von 1974 bis heute.«
    »Da ist eine Menge durchzusehen. Und es wird ein wenig dauern, bis wir das für Sie zusammengesucht haben.«
    »Nicht nötig«, sagte Schwarzenbacher. »Wie Sie unschwer erkennen können, mangelt es mir an einigem, aber nicht an Zeit. Sie könnten mir, wenn das genehm ist, einfach Ihre Unterlagen geben. Ich muss sie ja gar nicht mit nach Hause nehmen, ich könnte alles hier bei Ihnen im Alpenverein sichten. Irgendwo werden Sie ja vielleicht einen verwaisten Schreibtisch für mich haben, oder?«
    Walser schaute ihn unentschlossen an. Irgendwie war ihm Schwarzenbacher wohl suspekt. Andererseits, was würde es schon ausmachen, wenn dieser Kriminalerkrüppel ein paar Stunden hier wäre und Einsicht nähme in die Unfalldokumentation?
    »Das müsste gehen«, sagte er nach kurzer Bedenkzeit. »Wann möchten Sie anfangen?«
    »Am liebsten gleich«, sagte

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