Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalter Fels

Kalter Fels

Titel: Kalter Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Koenig
Vom Netzwerk:
Parkplatz suchen, schließlich den Rollstuhl aus dem Kofferraum hieven und dann zehn Minuten neben Schwarzenbacher herlaufen musste, bis sie endlich vor dem winzigen Laden standen.
    »Das Problem ist«, sagte Schwarzenbacher, »dass ich da nicht reinkomm. Ist nicht auf Rollstühle ausgelegt. Lass uns einen Katalog mitnehmen und da vorn in einem Beisl was trinken. Dabei kann ich schauen, was ich brauch. Und du holst es dann. Einverstanden? Und dir und Marielle spendier ich auch eine CD. Fürs Rumkutschieren.«
     
    Als sie München verließen, war der Verkehr dicht, und es war alles andere als angenehm für Pablo, sich in Richtung Salzburger Autobahn durchzustauen. Und doch war seine Unzufriedenheit gewichen. Er hatte in dem Laden sieben CDs für Schwarzenbacher besorgt, die meisten davon Jazzalben, die er nicht kannte. Alles spottbillig. Und er hatte für sich und vielleicht auch Marielle – er war sich nicht sicher, ob es auch ihr Geschmack wäre – gleich noch was ausgesucht. Ein Zufallsfund. Das Zweitausendeins verfügte ohnehin nur über ein begrenztes Sortiment. Preisreduzierte Bücher, einige Exklusivtitel, außerdem eine insgesamt überschaubare Auswahl an CDs der Sparten Pop, Jazz und Klassik. Pablo war auf »Deep Purple: Concerto for Group and Orchestra« gestoßen. Eine uralte Einspielung. Sein Vater hatte oft geschwärmt davon. Jetzt fand er das »Concerto« hier, als Doppel-CD mit einigen Bonustracks – und das alles für nicht mal zehn Euro.
    Er war gespannt darauf, wie sich die Mixtur aus harten Gitarrenriffs und Streichern und Bläsern anhören würde.
     
    »Weißt du, was idiotisch ist?«, sagte Schwarzenbacher, als sie auf der Salzburger Autobahn die Ausfahrt Holzkirchen passiert hatten. »Dass du keinen CD-Player im Auto hast. Ich hab da die tollsten Scheiben – und wir können sie nicht hören.«
    Pablo zuckte nur mit den Schultern. Er stellte das Radio an, aber Schwarzenbacher sagte: »Das ist doch scheiße.«
    Pablo schaltete wieder ab. Lange fuhren sie schweigend dahin. Jeder hing seinen Gedanken nach. Erst als sie auf die Inntal-Autobahn abgebogen waren, kam das Gespräch wieder in Gang.
    Der Abend dämmerte. Die nicht allzu hohen Berge, die das Tal zu beiden Seiten säumten, waren nur noch als Schattenrisse wahrzunehmen. Pablo kannte diese Berge nicht, war immer nur zwischen ihnen durchgefahren, wenn er mal nach Salzburg oder nach Wien gemusst hatte.
    Es wäre wohl ganz nett, dachte er, gelegentlich da irgendwo hinaufzuwandern. Man musste einen tollen Blick auf den Wilden Kaiser haben. Bestimmt auch auf die Loferer Berge und wahrscheinlich auch auf die Zentralalpen dahinter. Irgendwann, dachte er, mache ich das.
    »Hat dich das nie gereizt?«, sagte er zu Schwarzenbacher. »Ich meine, früher … als du noch … du weißt schon …«
    »Als ich noch laufen konnte. Ich weiß, was du meinst. Aber damals hatte ich nie Interesse an den Bergen. Eigentlich komisch. Heute befasse ich mich mit einer gewissen Obsession mit alpinen Kriminalfällen – und kenne das Gebirge eigentlich gar nicht. Zumindest nicht mehr als jeder deutsche Halbschuhtourist, der mit der Nordkettenbahn von Innsbruck aus rauffährt oder meinetwegen von St. Anton aus auf die Valluga, um dann blöd in die Gegend zu glotzen. Ich habe mich schon manches Mal gefragt, woher diese komische Begeisterung kommt. Eine schlüssige Antwort habe ich nicht. Mehr eine Vermutung: dass es eine Trotzreaktion ist auf mein Nichtmehrlaufenkönnen. Verstehst du, was ich meine? Jetzt, wo ich keinen Berg mehr hinaufkomme, hätte ich große Lust dazu.«
    Sie passierten den ehemaligen Grenzübergang bei Kiefersfelden, fuhren an Kufstein vorbei, hatten nur mehr eine knappe Stunde bis nach Innsbruck.
    »Auf einen Verlängerten hätte ich noch Lust«, sagte Schwarzenbacher. »Es muss bald eine Raststätte kommen. Möchtest du? Ich lad dich ein.«
    »Eigentlich würde ich lieber weiterfahren«, sagte Pablo. Und dann grinste er Schwarzenbacher spitzbübisch an. »Aber ich könnte schon auch Lust bekommen auf einen Kaffee. Unter einer Bedingung …«
    »Bedingung? Was für eine Bedingung?«
    »Du spendierst mir eine Melange und einen Apfelstrudel mit Schlag!«
    »Einverstanden«, sagte Schwarzenbacher.
    »Das ist noch nicht alles«, sagte Pablo.
    »Was denn noch? Du hast von einer Bedingung gesprochen, nicht von zwei.«
    »Du erzählst mir, was du herausgefunden hast.«
    »Mmh.«
    Es war für Pablo nicht zweifelsfrei herauszuhören, ob dieses »Mmh«

Weitere Kostenlose Bücher