Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalter Fels

Kalter Fels

Titel: Kalter Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Koenig
Vom Netzwerk:
die Sätze, die Marielle vorgelesen hatte, nachwirken zu lassen. Der Zeitungsbericht war wie ein loser Faden, der unter Umständen mit den anderen losen Fäden, die sie bisher in Händen hielten, verknüpft sein konnte.
    »Ich weiß, worauf du abzielst.« Schwarzenbacher sagte als Erster etwas. »Du denkst, unser Mörder tötet mit Steinen. Was ja bei genannten Fällen naheliegt. Und die Geschichte mit dem Stein im Bett …«
    »Ist doch nicht so abwegig, oder?« Marielle fühlte sich von Schwarzenbachers Skepsis angegriffen. Versteht er denn nicht?, dachte sie. Oder will er nicht verstehen? »Sagst du nicht immer, dass man bei Ermittlungen auch auf seinen Bauch hören muss?«
    »Natürlich«, sagte Schwarzenbacher. »Das Bauchgefühl ist ganz wichtig. Aber bei mir hat der Bauch jetzt nicht gleich zu rumoren angefangen.«
    Reuss richtete sich auf. »Ich sehe das ein bisschen anders. Mir geht die ganze Zeit durch den Kopf, wer auf diese Art mordet. Wenn einer im Schützenverein ist, hervorragend schießt und auch noch eine großkalibrige Waffe zu Hause hat, dann tötet er aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Gewehr oder mit der Pistole. Ein Boxer bräuchte vielleicht nichts als seine Fäuste, seine Kraft. Und eine Apothekerin – ihr kennt sicher den Film mit der Riemann – würde wohl auf ihre Kenntnis tödlicher Gifte vertrauen. Ich will damit sagen, zu der Waffe, mit der man tötet, muss man, Vorsatz vorausgesetzt, so etwas wie ein besonderes Verhältnis, wenn nicht gar Vertrauen haben. Die Frage also: Was ist das für ein Mensch, der darauf vertraut, mit einem Stein so gut umgehen zu können, dass er genau den als Mordwerkzeug nimmt? Ein Stein ist eine sehr archaische Waffe. Damit hat man sich schon in der Steinzeit die Köpfe eingeschlagen. Allerdings«, er lächelte ein wenig verschmitzt, »allerdings ist er in den letzten paar hundert Jahren ziemlich aus der Mode gekommen.«
    Schwarzenbacher kniff die Augen zusammen. Mit seinen mittlerweile zwar kürzeren, aber immer noch bis zum Kragen reichenden Haaren sah er jetzt fast ein bisschen aus wie ein Indianer, der Rauchzeichen in weiter Ferne zu erspähen versuchte. Oder wie eine Katze, dachte Marielle, die irgendwo eine klitzekleine Bewegung gesehen hatte und darin ihre Beute schon ahnte.
    Innerlich war sie glücklich, zumindest bei Reuss mit ihrer Geschichte Gehör gefunden zu haben. Schwarzenbacher schien weiterhin zögerlich. Reuss sah auf seine Armbanduhr, setzte sich dann auf einen der Sessel, sagte: »Fünf Minuten, mehr kann ich jetzt wirklich nicht entbehren.«
    Endlich brachte die Anwaltsgehilfin das Mineralwasser. »Für Sie auch noch was, Herr Dr. Reuss?« Er verneinte kopfschüttelnd. »Ich finde es super«, sagte er, »dass Marielle diese Sache entdeckt hat …«
    »Es war ein Zufall«, sagte sie. »Sonst nichts.«
    »Egal. Wie leicht hätten wir das übersehen können. Eine kleine Nachricht in der Zeitung. Ein Vorfall, über den schon morgen niemand mehr spricht. Und die Anzeige gegen unbekannt – lächerlich. Da kommt nichts dabei heraus. Zusammengefasst: Der Einbruch in der Hütte ist schnell vergessen. Und da können wir von Glück sagen, dass Marielle da genau hingeschaut hat. Und noch ein Glück haben wir: dass der Stein erwähnt worden ist. Für mich dreht sich alles um den Stein, der im Bett liegt …«
    Schwarzenbacher grinste über die Vorstellung vom Stein im Bett. Auch Marielle musste lächeln. Dann sagte der frühere Kripomann: »Auch wenn ich dir ungern recht gebe … es ist schon was dran an deinen Ausführungen. Vielleicht haben wir bisher einen kleinen, aber schwerwiegenden Denkfehler begangen – nämlich dass der Mörder mit einem Stein zugeschlagen hat, um seine Tat wie einen Bergunfall aussehen zu lassen. Vielleicht liegt der Wahl der Waffe aber gar kein Plan zugrunde – sondern einfach nur Instinkt. Dann könnte es sein, dass die ›Bergunfälle‹ auch nicht als Täuschungsmanöver gedacht sind. Aber wir hätten uns doch täuschen lassen …« Er zog die Stirn in Falten. »Vielleicht entspringen Tatort und Mordwaffe einer gewissen Zufälligkeit.«
    »Ich versuche mich mal in die Lage des Mannes zu versetzen, der die Hütte aufgebrochen hat …«
    Marielle unterbrach Reuss: »Kann es nicht auch eine Frau gewesen sein?«
    »Kann schon. Kann-Fragen beantworte ich grundsätzlich mit Ja …« Er grinste. »Aber Spaß beiseite: Der Stein passt nicht. Und gehen wir mal davon aus, nur so in spielerischer Annahme, derselbe

Weitere Kostenlose Bücher