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Kalter Fels

Kalter Fels

Titel: Kalter Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Koenig
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dreiunddreißig. »Es sind nur ein paar Kilometer. Sie ist heute bei meinen Schwiegereltern. Die haben eine kleine Landwirtschaft, und da hilft sie an den Wochenenden halt immer noch ein bisschen mit. Wir können da ganz ungestört reden …«
    »Gern«, sagte Schwarzenbacher. »Aber: Was machen wir mit dem Rollstuhl?«
    Ipflinger grinste. »Der ist kein Problem.«
    Auf dem Parkplatz vor McDonald’s stand ein Mazda 6 Kombi, der Platz genug bot. So fuhren sie von Kufstein nach Niederndorf und dort auf kleinen Straßen immer höher einen Berg hinauf. Es war eine beeindruckende Landschaft, selbst für Schwarzenbacher, der sich normalerweise nicht leicht von Landschaften beeindrucken ließ – schon gar nicht vom Hochgebirge, worüber alle so schnell ins Schwärmen gerieten.
    Hier war es irgendwie schön, altes Kulturland mit vielen kleinen Bergbauernhöfen, unspektakulär auf den ersten Blick, aber reizvoller von Kurve zu Kurve, mit der sie an Höhe gewannen.
    Dass Ipflinger während der Fahrt wenig sprach, kam Schwarzenbacher nur gelegen. So hatte er Muße, sich die Landschaft zu besehen. Und wenngleich sie mit zunehmender Höhe immer reicher in Sachen Aussicht und Fernblick wurde, so waren es doch die Details, die ihn am meisten faszinierten. Die Holzpfähle eines Weidezauns, ein paar Ahornbäume, die vor freiem Himmel am Hang standen, in Mulden hineingeduckte Bauernanwesen, das verwitterte Holz der alten Stadel, ein Marterl am Straßenrand, eine Wiese voll von leuchtend gelb blühenden Löwenzähnen, ein …
    »Gleich sind wir da«, sagte Ipflinger. »Der Hof da vorne, das ist der von meinen Schwiegerleuten.«
    Sie fuhren in die Einfahrt des Hofs, schwanzwedelnd kam ein Hund undefinierbarer Rasse daher. Ipflinger war Schwarzenbacher beim Aussteigen behilflich und vor allem auch dann, als er mit dem Rollstuhl über die hölzernen Schwellen des Hauses musste. In der alten holzgetäfelten Stube hatten sie ihre Ruhe. Der Blick durch die kleinen Fenster ging hinüber zum Zahmen Kaiser, jenem dem Wilden Kaiser vorgelagerten Gebirgsstock.
    »Schön ist’s hier«, sagte Schwarzenbacher. Und er meinte alles damit: die stille Stube, die von Jahrhunderten kündete, den Fernblick zu den Bergen und auch die Aussicht auf den Obstgarten, wo die Bäume weiß blühten. »Wirklich schön hier.«
    Ipflinger nickte.
    »Schöner als in Kufstein.« Schwarzenbacher lächelte.
    Und Ipflinger nickte wieder. »Ja«, sagte er. »Karin und ich sind gern da heroben. Auch wenn es meistens mit Arbeit verbunden ist. Vor allem für sie. Sie werden sie nachher schon noch kennenlernen. Bestimmt richtet sie uns eine gute Marende. Aber zuvor …«
    Er sah Schwarzenbacher zögernd an, bevor er sich durchrang, seinen Satz zu Ende zu bringen: »… zuvor sollten Sie mir vielleicht erzählen, an was Sie da genau dran sind.«
    Nun war es an Schwarzenbacher zu zögern. Er zog die Stirn ein wenig in Falten, überlegte einige Sekunden lang, ob und inwieweit er den jungen Beamten in seine Aktivitäten einweihen sollte. Ein bisschen etwas wusste er gewiss ohnehin schon – Staatsanwalt Dr. Kröninger hatte ihn kontaktiert und bestimmt die Eckdaten anklingen lassen. Wenn er es recht bedachte, hatte Schwarzenbacher nicht viel zu verlieren. Aber unter Umständen konnte er einiges gewinnen. Dennoch kam er nicht umhin, wenigstens noch ein bisschen vom Spiel zu spielen.
    »Da verstehen Sie mich aber gründlich falsch«, sagte er. »Ich bin gekommen, um Ihnen ein paar Fragen zu stellen. Dass Sie das jetzt umkehren wollen, war nicht ausgemacht.«
    Ipflinger verlor seine kleine Unsicherheit schnell. »Das stimmt schon. Aber wenn Sie mir erzählen, wonach genau Sie suchen, würde ich mich leichtertun, noch einmal alles zu vergegenwärtigen, was ich damals erlebt und gesehen habe. Sie können mir wirklich vertrauen. Ich muss Ihnen auch vertrauen. Vor allem muss ich mich darauf verlassen, dass Sie mich nicht als Ihren Informanten preisgeben.«
    Schwarzenbacher erzählte ihm alles. Fast alles. Er schilderte, wie tief verstört die Schwester jenes Karl Mannhardt heute noch war, wie wenig sie an einen Unfall glaubte. Er legte seine anfängliche Vermutung offen, es mit einem psychisch gestörten Serientäter zu tun zu haben. Aber auch seine Zweifel, was den zeitlichen Ablauf anging: »Mir sind die Abstände zwischen den Fällen zu inhomogen. Irgendwie passt das nicht zusammen.«
    Und er hielt auch mit anderen Zweifeln nicht hinter dem Berg. Vor allem mit dem nicht, dass es

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