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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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hatte überlegt, ob er seine Lederjacke anziehen sollte, hatte aber Angst, sie könnte Geräusche machen. Gewieft sein war das Gebot der Stunde.
    »Ihre Dichter-Vorläufer, wurde verschiedentlich bemerkt, sind Coleridge und Baudelaire.« Martin Amis meldete sich auf einmal zurück, sein gut aussehendes, sarkastisches Gesicht hing zwischen den Kiefern. »Was meinen Sie – wie oft haben diese literarischen Giganten wohl ihren schlafenden Geschäftspartnern Drogen geklaut?«
    Jetzt nicht, Martin, jetzt nicht.
    »Sicher, Coleridge gab zu, Laudanum zu schätzen – er hat ihm sogar den Verdienst an
Kubla Khan
zugeschrieben. Aber es ist doch nicht recht vorstellbar, dass sich der große Dichter auf der verzweifelten Suche nach Schore durch die nördlichen Wälder von Ontario schleicht.«
    Natürlich nicht. Laudanum war legal zu haben.
    »Ebenso wenig ist vorstellbar, dass er sich mit erwiesenenMördern einließ. Könnten Sie Ihren Lesern wohl darlegen, inwieweit das für Ihr künstlerisches Schaffen nötig ist?«
    Hau ab, Martin. Vielleicht bin ich ja kein Dichter? Vielleicht bin ich nichts weiter als ein unverbesserlicher Junkie.
    Amis und sein sarkastisches Lächeln verblassten inmitten von Kiefern und Regen. Kevin drehte den Knauf nur einen Hauch, vielleicht zwei Millimeter pro Sekunde, bis es nicht weiterging. Abgeschlossen.
    Kevin hatte den Schlüssel in der Tasche. Er schob ihn lautlos ins Schloss. War eigentlich nichts dabei, solange man ihn nicht ganz herumdrehte: weit genug, damit sie aus dem Türrahmen kam, aber nicht so weit, dass sie mit einem klickenden Geräusch aufsprang. Er lehnte sich gegen die Tür, und sie öffnete sich einen Zentimeter. So weit, so gut.
    Er trat ein und zog die Tür hinter sich zu, ohne sie zu verriegeln. Er drückte sich mit dem Rücken an die Wand. Wachte Leon jetzt auf, war Kevin ein toter Mann. Jeder Muskel spannte sich, während er auf Leons Atem lauschte. Es war schwer, durch den lauten Pulsschlag in seinen Ohren etwas zu hören, doch die Atemzüge waren da, gleichmäßig und langsam. Er erkannte Leons Umrisse im Bett: seitlich aufgerollt zur Wand.
    Leons Jeans hing wie immer auf der Rückenlehne des Stuhls, doch Kevin musste quer durch den Raum, um hinzukommen. Er wusste, dass ein paar Dielenbretter knarrten – das mit dem großen Astloch zum Beispiel und das andere genau parallel zur unteren Kante des Fensters, doch vielleicht gab es noch weitere. Dass Red Bear ihn umbringen würde, stand außer Zweifel. Die einzige Frage war, ob er es selber tun oder Leon damit beauftragen würde. Siehst du, genau deshalb hör ich auf mit dem Zeug. Es bringt mich in unhaltbare Situationen.
    Eine Diele knarrte. Leon regte sich, drehte sich aber nichtum. Kevin war nur noch einen Meter vom Stuhl entfernt. Er würde keine weiteren Dielen mehr riskieren. Stattdessen beugte er sich aus der Taille heraus weit vor. Es war eine schmerzhafte Haltung, doch er konnte Leons Jeans gerade eben berühren. Kevin musste jetzt auf den Zehen balancieren, um sich noch weiter vorzurecken. Dann hatte er die Kette in der Hand und zog sie hoch, um die Schlüssel aus der Tasche zu holen.
    Er hatte noch nicht die Hälfte hinter sich. Er musste lautlos die Schlüssel von der Kette lösen, dann zur Vorratshütte huschen, etwas Stoff daraus holen und – selbst wenn er das alles erledigt hatte – wieder zurück und die Schlüssel in Leons Tasche stecken, ohne ihn aufzuwecken.
    Mit Hilfe der Kette konnte Kevin die Hose weit genug herüberziehen, um die Kette vom Gürtel abzubekommen. Dann drehte er sich um die eigene Achse und machte einen einzigen Riesenschritt Richtung Tür. Kein Knarren. Leons Atem kam weiter langsam und regelmäßig. Noch ein Riesenschritt. Wieder kein Knarren. Jetzt war er an der Tür und blitzschnell draußen. Er zog sie lautlos zu, ohne abzuschließen.
    Er sprang von der Eingangsveranda und schoss zur Rückseite der Hütte herum.
    Jetzt muss ich mir nur so viel Schore besorgen, dass es bis Montag reicht, und dann bin ich nüchtern und clean. Für den Rest meines Lebens. Schluss mit diesem Ein-Schuss-pro-Tag-Scheiß. Erledigt, ich bin damit fertig. Ich hab damit schon dermaßen abgeschlossen, dass ich mich schon jetzt erhole.
    Tatsächlich aber stand er im nächsten Moment am Eingang der Vorratshütte und steckte Leons Schlüssel ins Schloss. Er blickte zu Red Bears Cottage hinüber. Immer noch dunkel. Im Geist sah er plötzlich Red Bear vor sich, wie er, das Tranchiermesser in der Hand, aus seiner

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