Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
Vom Netzwerk:
Ob sie befreundet sind, kann ich nicht sagen.« Sie deutete auf einen kleinen, bärtigen Mann am hinteren Ende der Bar. Er trug eine Nickelbrille und hielt ein Taschenbuch so fest in der Hand, als wollte er Saft herauspressen.
    »Danke.«
    Terri ging hinüber.
    »Lesen Sie immer in der Kneipe?«
    Er sah von seiner Lektüre auf.
    »Manchmal«, sagte er. »Schlägt jeden Smalltalk. Oder die Glotze. Der einzige Grund, weshalb ich in diese Bar komme, ist, dass sie immer den Ton ausgeschaltet haben.«
    »Sie sind ein Freund von Kevin Tait, stimmt’s?«
    »Ja, na ja, ich kenne ihn. Ich sehe ihn aber nur, wenn er hierher kommt. Und das ist nicht oft in letzter Zeit. Wir reden über Lyrik.«
    Gott sei Dank, dachte Terri. Kein Dope-Komplize.
    »Also, es geht darum«, fing sie an. »Ich bin Kevins Schwester. Ich heiße Terri.«
    »Bob.« Er gab ihr eine feuchte Hand. »Kevin hat Sie mal erwähnt.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, wir haben über Yeats geredet. Kennen Sie W. B. Yeats?«
    »Bin nicht sicher.«
    »Er hat dieses großartige Gedicht geschrieben: ›Wandte der Himmel ab den schweren Schlag / So stark war ja sein Anteil an dem Frieden / Der, tratst du nur herein, im Zimmer lag.‹ Kennen Sie das?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Kevin hat gesagt, es erinnert ihn immer an Sie. Er hat auch gesagt, Sie hätten das unglaublichste rote Haar. Und Sie wären eine echt gute Schauspielerin. Was ist mit Ihrem Kopf passiert? Jemand auf Sie geschossen?«
    Für einen Moment war Terri zu verblüfft, um etwas zu sagen, doch dann begriff sie, dass es als Witz gemeint war.
    »Autounfall. Ziemlich übel. Ich hatte Glück, dass ich mit ’ner Gehirnerschütterung davongekommen bin. Dadurch kann ich mich nicht mehr an Kevins Anschrift erinnern, und in dem Durcheinander hab ich mein Adressbuch verloren. Ich muss ihn finden.«
    »Ach du liebe Güte, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich hab keine Ahnung, wo er wohnt. Das Einzige, worüber wir reden, sind Gedichte. Haben Sie es mal mit der Polizei versucht?«
    »Ja, die können mir auch nicht helfen. Er ist schließlich nicht vermisst gemeldet.«
    »Also, dann weiß ich auch nicht. Er liest auf alle Fälle viel. Sie könnten es mal in der Bücherei oder in den Buchläden versuchen.«
    Dafür hätte Terri ihn am liebsten umarmt. Hier hatte sie es mal mit einem Menschen zu tun, der Kevin nur von seiner besten Seite kannte.
    »Danke, das mach ich vielleicht.«
    Er zeigte ihr den Einband des Buchs, das er gerade las. »Baudelaire. Schon mal was von ihm gelesen?«
    Terri schüttelte den Kopf.
    »Der ist toll. Sie haben das französische Original auf der einen Seite und die englische Version auf der anderen. Ich kann genug Französisch, um zu wissen, dass es echt gut klingt. Am liebsten würde ich es richtig lernen. Hören Sie, wie wär’s, wenn Sie sich einfach setzen und auf ihn warten würden? Er kommt manchmal ziemlich spät.«
    »Nein, vielen Dank. Ich muss ihn finden. Es ist dringend. Falls er vorbeikommt, würden Sie ihm das hier geben?«
    Sie schrieb die Nummer des Frauenhauses auf eine Cocktailserviette.
    »Sagen Sie ihm bitte, ich muss ihn sofort sprechen.«
    »Geht klar.«
    »Noch eine letzte Frage.«
    »Ja.«
    »Wo müsste ich hin, um Dope zu kaufen?«
    Bobs Lächeln rutschte ihm in den Bart. Er runzelte missbilligend die Stirn.
    »Ich hab’s nicht mit Drogen«, sagte er.
    »Ich auch nicht. Aber falls …«
    »Versuchen Sie’s mal in der Oak Street. Die World Tavern. Nicht in der Tavern selbst. Da ist so ein Parkplatz gegenüber. Hier, ich zeichne es Ihnen auf.«
    Draußen blies der Wind noch kräftiger. Als Terri die Straße überquerte, fing es zu regnen an. Okay, schließlich bin ich kein Detektiv oder Spion. Ich weiß nicht, wie man an Informationen kommt, ohne ziemlich direkt mit der Frage rauszurücken. Lass es mich schnell hinter mich bringen, Kevin finden und ihn nach Vancouver ins Rehazentrum bringen. Und wenn ich ihn an den Haaren hinschleife.
    Die Oak Street war unbehaglich dunkel. Und der ganze Block auf der anderen Seite schien ein einziger Parkplatz zu sein. Terri ertappte sich dabei, wie sie sich über die Schultersah. Die World Tavern war nicht weit. Hatte Kevin sie auch dahin mitgenommen? Kam ihr jedenfalls nicht bekannt vor. Auf dem Parkplatz gegenüber machte sie ein paar Schatten aus, die in einer Gruppe zusammenstanden, während ihr ein eigentümlicher Geruch in die Nase stieg, eine Mischung aus See und nassem Straßenpflaster mit Marihuana.
    Sie ging hinüber

Weitere Kostenlose Bücher