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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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ohnehin wollte. Nun ja, das war zumindest sein Plan. Für den Rest seines Lebens hatte er sich Abstinenz auf die Fahnen geschrieben und nicht etwa Sucht. Eine Enthaltsamkeit, die eine geistige Klarheit mit sich bringen würde, wie er sie seit – wann? – seinem vierzehnten, fünfzehnten Lebensjahr nicht mehr gekannt hatte. Darum ging es ihm, nicht um Rausch. Er hatte keine Lust, für den Rest seines Lebens mit Typen wie Leon im Rosebud Diner rumzuhängen. In drei, vier Monaten würde er auf einer griechischen Insel leben, genau wie Leonard Cohen als junger Dichter. Er würde von Souvlaki und Ziegenmilch leben, während er an einem Gedichtband arbeitete, der alles einfing, was er je über Dichtung gedacht und begriffen hatte.
    Er sah noch nicht klar, wie genau er sich bis Montag von Red Bear und dem Lager loseisen sollte. Dumm nur, dass er gerade jetzt so zugedröhnt war, dass er keine zwei Zeilen schreiben konnte, geschweige denn Werke von der komplexen, vielschichtigen Art, wie sie ihm vorschwebte.
Lass es erst mal Montag werden, und ich bin hier raus
. Er hatte bereits beim Drogenforschungs- und Entzugszentrum in Toronto angerufen und einen Termin für Montagnachmittag gemacht.
    Doch die Sache musste vorsichtig gedeichselt werden. Er hatte das Geld – Red Bears unternehmerische Fähigkeiten hatten ihm tatsächlich das Konto aufgefüllt. Doch erst mal musste er durch die nächsten Tage kommen. Er musste dafür sorgen, dass er genügend Schore hatte, um die kommenden Nächte zu schaffen, und dann nichts wie weg nach Toronto.
    Kevins persönliche Bestände waren verbraucht. Leons ebenso, wie er zufällig wusste. Trotz der dürftigen Konkurrenzangebotein der Gegend war es ihm gelungen, in der Stadt ein paar Krümel aufzutreiben, gerade mal genug bis zum Nachmittag, doch die Wirkung der Dosis war längst verpufft. Er hielt sich noch einigermaßen – die eigentlichen Entzugssymptome würden erst in gut zwölf Stunden kommen –, doch es war definitiv an der Zeit, die Initiative zu ergreifen.
    Er hatte vor einer Stunde sein Licht ausgeknipst und seitdem unentwegt aus dem Fenster gestarrt. Im Lager tat sich rein gar nichts. Die Aktivitäten erreichten ihren Höhepunkt, als ein durchnässter Waschbär an den schiefen Volleyball-pfosten vorüberwatschelte. Bei Leon war das Licht vor einer halben Stunde ausgegangen, und wenig später wurde es in Red Bears Hütte dunkel. Kevin zog seine Adidas-Schuhe an und öffnete die Tür.
    Wie’s aussah, würde der Regen in absehbarer Zeit nicht nachlassen. Auch gut; das hielt die Kriebelmücken fern. Jetzt kam der leichte Teil. Er flitzte in nur zwanzig Sekunden zu Leons Hütte hinüber, indem er an der Rückseite des Lagers einen Halbkreis beschrieb. Das Gebüsch war an dieser Stelle dicht, doch voller Trampelpfade. Eine Pfütze ergoss sich in seinen Schuh.
    Jetzt kam Leons Tür. Er huschte lautlos zur Vorderseite, wo Kevin eindeutig im Vorteil war, da er den Auftrag gehabt hatte, die Schlösser an den Hütten anbringen zu lassen, und er umsichtig genug gewesen war, sich Zweitschlüssel zu besorgen. Nur zum Hauptlager und der stinkenden Hütte am rückwärtigen Lagerende, wo Red Bear seine Ziegen und Hühner und sonst was abmurkste, besaß er keinen Schlüssel. Die Schlösser hatte Red Bear Leon machen lassen, und Leon wachte auch über den Stoff. Nicht, dass sie den ganzen Vorrat im Lager aufbewahrten. Der größte Teil der Ware befand sich an einem Ort, den Kevin nicht kannte. »Zu deinem eigenen Schutz«, hatte Red Bear ihm versichert. »Es ist besser, wenndu es nicht weißt.« Sie behielten nur ein paar Unzen für mittelgroße Transaktionen zwischen größeren Lieferungen.
    Kevin wusste genau, was er als Nächstes tun, wohin er sich von hier aus schleichen musste. Niemand hat eine so gute Beobachtungsgabe wie ein Junkie, der seinen Nachschub taxiert. Er wusste, wo Leon den Schlüssel aufbewahrte. Er hing zusammen mit sämtlichen anderen Schlüsseln an einer Kette an seiner Gürtelschlaufe über der rechten Vordertasche seiner Jeans. Genauso gut wusste er, wo Leon nachts seine Jeans aufbewahrte. Er hängte sie grundsätzlich über die Lehne eines Stuhls, und die Hälfte der Zeit baumelten die Schlüssel deutlich sichtbar in der Luft.
    Kevin lauschte ein paar Minuten an der Tür. Ihm pochte das Herz bis zum Hals, und urplötzlich musste er dringend pinkeln. Von drinnen war kein Laut zu hören. Der Regen hatte bereits die Kapuze und Schultern seines Sweatshirts durchnässt. Er

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