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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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verbreiteter war, als sie vermutet hätte.
    »Die meisten von denen fangen nicht in irgendeiner systematischen Form damit an«, erklärte ihr Izzard am Telefon. »Sie sind Dilettanten. Sie beschäftigen sich ungefähr so ernsthaft damit wie die durchschnittliche Hausfrau mit ihrer Yoga-Philosophie.«
    »Wohl irgendwo logisch, dass sie sich für alles interessieren,was die schlimmen Dinge, die sie tun, zu rechtfertigen scheint.«
    »Oh nein, ihr Interesse ist nicht ethischer Natur. Nicht mal bei Ramirez. Es geht ihnen nicht um die Absegnung durch irgendein übernatürliches Wesen. Wenn ein Mensch, der vor Wut und Trieb überkocht, mit satanischen Ritualen zu spielen beginnt – das heißt Ritualen, die Satan oder seine Helfer direkt in seine Wohnung bringen sollen –, dann ruft er damit keineswegs irgendein übernatürliches Wesen an, sondern die Verkörperung seiner eigenen dunkelsten Begierden. Stellen Sie sich einen Menschen vor, der gänzlich von Lust und Wut getrieben ist – kein Gewissen, keine Moral, keine Hemmungen …«
    »Ziemlich widerwärtig«, sagte Delorme.
    »Und dann gewinnt er Macht. Für einen Versager, der ansonsten weithin lebensuntüchtig ist, wird das die gewaltigste Erfahrung in seinem Leben. Was bei Ramirez passieren kann – und vielleicht auch bei Ihrem Kerl –, ist so ein Phänomen, wo ein Grenzfall kippt und zum regelrechten Psychopathen wird.«
    »Und da wären wir wieder bei unseren Hieroglyphen.«
    »Sie sagen, Sie suchen vielleicht nach einem Indianer? Einem Ureinwohner?«
    »Möglicherweise. Einige Zeugen haben einen Indianer namens Red Bear erwähnt.«
    »Also, diese Zeichen haben nichts mit kanadischen oder amerikanischen Ureinwohnern zu tun. Es sei denn, mit einem Indianer, der sich für Voodoo interessiert.«
    »Voodoo? In Kanada?«
    »Aber sicher. In Toronto finden Sie alle möglichen Varianten. In Montreal noch mehr. Kommt aus der Karibik und ist in den meisten Fällen vollkommen harmlos. Aber diese Markierungen, die Sie mir gefaxt haben, so was hab ich noch niegesehen. All diese gebündelten Pfeile, und so viele Wiederholungen, mit geringfügigen Variationen … Offen gesagt, keine Ahnung, was das ist.«
    »Aber Sie sind sicher, dass es nichts Indianisches ist?«
    »Sagen wir mal so: Falls es indianisch wäre, dann würde es sich um eine völlig neue Glyphenart handeln. Soweit mir bekannt, hat es so etwas in Nordamerika noch nicht gegeben. Nein, ich tippe eher auf eine persönliche Abwandlung von Voodoo oder Santeria. Aber das ist auch schon alles, was ich weiß.«
    »Und was raten Sie uns demnach? Können Sie mich irgendwie weiterverweisen?«
    »Sie müssen mit Helen Wasserstein reden.«
    »Wer ist das? Ist sie bei der RCMP?«
    »Versuchen Sie’s mal beim ROM.«
     
    Das Royal Ontario Museum ist vielleicht das einzige kanadische Museum, das sich halbwegs mit dem Smithsonian oder dem Britischen Museum vergleichen lässt. Wenn auch wesentlich kleiner als diese beiden altehrwürdigen Institutionen, so kann man mit Fug und Recht sagen, dass es das, was es bietet, hervorragend macht. Kaum ein Highschool-Schüler in Ontario, der nicht irgendwann einmal mit einer Busladung Kids nach Toronto kommt, um im ROM die Dinosaurier, die römische Sammlung oder die Totempfähle zu bestaunen.
    Helen Wasserstein war im Museum Kuratorin für Artefakte der kanadischen Ureinwohner, doch glücklicherweise brauchte Delorme nicht bis nach Toronto zu fahren, um sie zu sprechen. Wie sich herausstellte, hielt Dr. Wasserstein sich gerade bei einer Ausgrabung am nördlichen Ende des Algonquin Park und somit nur etwas über eine Autostunde südlich der Stadt auf.
    Delorme fuhr gern, und besonders liebte sie es, aus derStadt in die Wälder zu fahren. Der letzte Teil der Strecke war allerdings ein ungeteerter Weg, und selbst der Begriff Weg schien nicht ganz passend. Mehr als einmal war sie mit dem Kopf ans Wagendach gestoßen, und so wünschte sie sich zum ersten Mal im Leben, einen Jeep oder Geländewagen zu fahren. Irgendwann kam sie an eine Barriere aus mehreren Streifen roten Absperrbands.
    Einem Schild war zu entnehmen, dass sich hier eine archäologische Ausgrabungsstätte befand, weshalb Unbefugte angewiesen wurden, umzukehren. Zwei Jeeps und ein Pickup parkten unter den Bäumen. Delorme ließ ihr ziviles Fahrzeug, einen Chevy, mit dem Kühler zur Absperrung stehen und stieg den Hang hinunter.
    Es duftete stark nach Kiefern und Lehm, und es wimmelte von Kriebelmücken. Wie ein Neurotiker, der den

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