Kalter Mond
und stieß auf zwei junge Männer, Jungen eher, in Nylonjacken, und ein Mädchen, deren tief geschnittene Jeans gut fünf Zentimeter Poritze freigab. Sie standen im Windschatten einer Reklametafel. Ihr Gelächter verebbte, während sie Terri stumm entgegenblickten. Einer von ihnen trat einen Joint aus, ohne die geballte Wolke nach Gras und Regen wegzuwedeln.
»Entschuldigung«, sagte sie. »Vielleicht könnt ihr mir helfen.«
»Kommt drauf an, was du willst«, sagte der größere der beiden Jungen. Die Jacke hing ihm bis zu den Knien. Er versuchte, cool zu wirken, und kniff die Augen zusammen.
»Ich bin auf der Suche nach einem Freund, Kevin Tait. Den kennt ihr doch bestimmt, oder?«
Das Trio sah sich an und wandte sich wieder Terri zu.
»Nee«, sagte der in der knielangen Jacke. »Glaube nicht.«
»Also, vielleicht habt ihr ihn mal gesehen. Dunkles, gelocktes Haar? Hat immer ein Notizbuch dabei?«
Der Jüngere sowie das Mädchen schüttelten den Kopf. Der Ältere zuckte die Achseln. »Klingt irgendwie vertraut. Bin aber nicht sicher.«
»Ich bin nicht von der Polizei. Ich bin seine Schwester.«
»Kann dir trotzdem nicht helfen.«
»Also, dann nur noch folgende Frage: Wo würdet ihr hingehen, wenn ihr euch ein bisschen Heroin beschaffen wolltet?«
»Hey, Mann, mal sachte. Du willst wissen, wo du dir Schore besorgen kannst?«
Er trat einen Schritt zurück und schien fast in seiner Jacke zu verschwinden.
»Nicht für mich. Damit will ich nur Kevin finden.«
»Keine Ahnung, wo du so was kriegst. Nicht mein Ding.« Der Junge hatte eine überlegene Miene aufgesetzt und das Interesse an ihr verloren. Selbst in Drogenkreisen blüht der Snobismus.
Terri sah das Mädchen an. »Helft mir bitte. Er ist in Schwierigkeiten.«
»Tut mir leid. Ich weiß nichts.«
Sie wandte sich an den Jüngeren.
»Hallo, nein. Ich auch nicht. Schore, Alte, null Bock auf so ’n Zeug.«
»Na schön. Trotzdem, danke.«
Sie wollte gerade gehen, als der Größere rief: »Wenn du allerdings was rauchen willst, wär das was anderes.«
Terri zog gegen den Wind die Kapuze enger und lief weiter.
Die ganze Main Street entlang fuhren die Autos an; das Kino war wohl aus. Sie bog in die Worth Street ab, zurück Richtung Frauenhaus. Sie nahm eine Abkürzung durch einen Park, in dem eine Bronzestatue im Regen glitzerte.
Am anderen Ende des Parks musste sie an der Ampel Halt machen. Die Schlange der wartenden Autos mit quietschenden Scheibenwischern reichte bis zur Main. Der Wind zerrte an ihrer Kapuze, und sie versuchte nicht länger, sie aufzubehalten, sie war ohnehin durchnässt.
Leon war schon an der Ampel vorbei, als ihm dämmerte, wen er da gerade gesehen hatte. Unmöglich. Vielleicht hat sie eine Kusine oder so, die ihr verdammt ähnlich sieht. Was die Sache allerdings klärte, war der Verband an ihrer Schläfe.
Er hatte alles wieder vor Augen: den Wasserfall, die Mücken, das zitternde Mädchen.
Er hatte sie, die Knarre in ihrem Rücken, durch den Wald vorwärts geschubst, um sie genau an die Stelle zu führen, an der er und Red Bear den Biker abgeschlachtet hatten. Es musste an der Stelle sein; er hatte noch nie eine Frau getötet, und er wusste, dass er es nirgendwo sonst tun konnte. Doch als sie fast am Wasserfall waren, ergriff sie die Flucht. Leon rutschte mit dem Wanderstiefel an einem Felsbrocken aus, und sie haute ab. Er musste hinter die Wasserwand rennen und auf der anderen Seite wieder raus, um ihr den Weg abzuschneiden. Mann, der Gestank.
An der Ecke blies Terri der Wind die Kapuze herunter, und sie griff danach. Diese plötzliche Bewegung hatte seine Aufmerksamkeit erregt, als er im Verkehr feststeckte. Dann ließ sie das Ding los und verschränkte die Arme, und da war es, an ihrer rechten Schläfe, ein kleiner weißer Fleck.
Am anderen Ende der Kreuzung trat Leon auf die Bremse, doch die Autos hinter ihm reagierten mit einem Hupkonzert. Die Worth Street war Einbahnstraße; er konnte nicht wenden. Er kurbelte die Scheibe herunter und riss am Außenspiegel, um besser sehen zu können. Ja, sie stand noch da. Gleich hätten sie Grün, verdammt.
An der nächsten Ecke schwenkte er rechts ab und fegte mit solchem Tempo bis zur nächsten Kreuzung rauf, dass er einige Passanten verschreckte. Am nächsten Stoppschild wieder rechts und zur Macintosh zurück. Hier war der Verkehr nicht mehr so dicht, auch wenn er immer noch die Lichterschlange bis zur Main hinunter sehen konnte. Noch mal rechts, und er war wieder in der
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