Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
Vom Netzwerk:
Wurfmuster dieser Muscheln wieder. Unterschiedliche Farben werden unterschiedlich dargestellt, zum Beispiel steht der Hammer für die grünen Muscheln, das Beil für die roten. Sie sehen ein bisschen unheimlich aus, besonders in Verbindung mit einem Verbrechen, aber für sich genommen, sind sie eigentlich ganz harmlos. Sie beantworten die gängigen Fragen, wissen Sie – Steht ein Geldsegen ins Haus? Eine Romanze? Eine Beförderung? Sie sind nicht schlimmer als Astrologie. Aber etwas anderes wüsste ich gerne: Haben Sie längliche Stöcke in der Nähe gefunden? Stöcke, die so aussehen, als wären sie auf ein und dieselbe Länge zurechtgeschnitten worden?«
    »Ja, wir haben ein paar gefunden. Wir warten noch auf den Befund von der Gerichtsmedizin, was sie verfärbt hat.«
    »Vermutlich Blut. Man nennt sie
palos.«
    »Dann bestätigen Sie, dass es Voodoo ist?«
    »Es ist Palo Mayombe.«
    »Wie noch mal?«
    »Palo Mayombe.« Dr. Wasserstein buchstabierte es für sie. »Mit Voodoo und Santeria verwandt. Es ist seltener, viel geheimnisvoller, möglicherweise furchterregender. Wir wissen eigentlich nicht allzu viel darüber. Wie Voodoo geht es in erster Linie darum, die Zukunft zu lesen und sie dann den eigenen Wünschen anzupassen, indem man bestimmte
orishas
anruft – das sind Verschmelzungen von afrikanischen Geisternmit christlichen Heiligen. Sie haben unterschiedliche Einflusssphären: Ellegua für Scheidewege, Oggun für Eisen und andere Metalle, so in der Art.«
    »Wie ruft man sie an?«
    »Man bringt ihnen Opfer dar. Opfer, die mit ihrem Zuständigkeitsbereich in Beziehung stehen. Ellegua liebt zum Beispiel Süßigkeiten. Oggun verlangt nach Eisen, Metall.«
    »Würde ihn ein Schienenbolzen zufrieden stellen?«
    »Auf jeden Fall. Schienenbolzen, Hufeisen … egal, was.«
    »Wer praktiziert so was?«
    »In Kanada? Niemand. Ich hör zum ersten Mal davon. Ursprünglich kommt es von den Ibo, Bantu und Kikongo, Stämmen, die vorrangig in Nigeria und im Kongo beheimatet sind. Wir wissen, dass es im neunzehnten Jahrhundert weit verbreitet war. Viele Angehörige dieser Stämme kamen als Sklaven in die westliche Hemisphäre, und sie haben ihre Religion mitgebracht.«
    »Wo in der westlichen Hemisphäre?«
    »Kuba, fast ausschließlich sogar. Wenn ich auf der Suche nach jemandem wäre, der tief in Palo Mayombe verwurzelt ist, würde ich nach jemandem aus Kuba Ausschau halten – meinetwegen auch noch Miami, aus nahe liegenden Gründen. Spuren davon finden sich vielleicht noch in Mexiko, aber am häufigsten finden Sie dieses Gebräu tatsächlich in Kuba.«
    »Kuba. Und Sie sind sicher, dass das Ganze nichts mit kanadischen Ureinwohnern zu tun hat?«
    »Nicht das Geringste.«
    Es herrschte Schweigen. »Was ist?«, sagte Dr. Wasserstein nach einer Weile. »Das scheint Sie zu verblüffen.«
    »Sie haben gesagt, dieses Palo Mayombe sei geheimnisvoller als Voodoo. Vielleicht auch beängstigender. Wie haben Sie das gemeint?«
    »Nun ja, genau wie bei Voodoo gehören die üblichen Tieropferdazu. Bei Palo Mayombe gibt es allerdings auch zahlreiche Hinweise auf Menschenopfer. Geschichten von Menschen, die vor ihrem Tod verstümmelt wurden.«
    »Einem unserer Mordopfer wurden Hände und Füße abgeschnitten. Und wir haben auch seinen Kopf nicht gefunden.«
    »Oh mein Gott.« Dr. Wasserstein legte eine Hand auf die Brust. »Wie entsetzlich.«
    »Allerdings. Wir möchten ihn daran hindern, das noch jemandem anzutun.«
    »Also, der Fairness halber sollten Sie wissen, dass in Bezug auf Palo Mayombe gegenwärtig viel diskutiert wird, wie es sich nun tatsächlich damit verhält. Die Verfechter von Palo Mayombe bringen einige Argumente vor: Erstens einmal stammen sämtliche Hinweise auf Menschenopfer von Missionaren. Von Leuten, die nur aus einem einzigen Grund nach Afrika gegangen sind, nämlich, die Bevölkerung zum Christentum zu bekehren. Wir wissen aus der Geschichte, dass ihre Lieblingsmethode darin bestand, den Leuten Angst einzujagen – auf die Weise schafft man es, die alten Götter wie Teufel dastehen zu lassen, als Inbegriff des Bösen. Zweitens: Man kann Menschenopfer nicht an und für sich verdammen. Jesus Christus war ein Menschenopfer, von Gott selbst sanktioniert. Außerdem ehren wir Soldaten, die ihr Leben lassen, um ihr Vaterland zu verteidigen. Sind das etwa keine Menschenopfer? Drittens: Für den Fall tatsächlicher Menschenopfer, sagen sie, sei es ganz und gar freiwillig, wie in dem eben genannten Fall.«
    Delorme sah

Weitere Kostenlose Bücher